Bulgarien hat nach monatelanger Krise prowestliche Regierung

Bulgarien hat nach monatelanger politischer Krise nun eine prowestliche Regierung bekommen. Nach der fünften Parlamentswahl binnen zwei Jahren bestätigte die Volksversammlung am Dienstag eine reguläre Regierung. Diese löst das Übergangskabinett ab, das Präsident Rumen Radew vor der Neuwahl vom 2. April eingesetzt hatte. Mit der neuen Regierung erwarten Beobachter, dass sich das EU-Land den westlichen Verbündeten bei ihrer Unterstützung für die Ukraine konsequenter anschließt.

Der 60-jährige Physikochemiker Nikolaj Denkow (PP) wurde mit einer Mehrheit von 132 Abgeordneten aus den Reihen des Wahlsiegers GERB-SDS und des zweitplatzierten Blocks PP-DB zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Regierung selbst wurde mit 131 Stimmen bestätigt. Die russlandfreundlichen Sozialisten, die prorussische und nationalistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) und die systemkritische ITN sind in der Opposition.

Die neue Regierung schreibt in dem Balkanland Geschichte mit einem Novum, das den Kompromiss zwischen den rivalisierenden Lagern ermöglichte: Das Amt des Ministerpräsidenten soll nach neun Monaten wechseln. Nach Denkow soll Ex-EU-Kommissarin Maria Gabriel (GERB) als Regierungschefin an der Reihe sein. Bis dahin ist die 44-jährige Vize-Ministerpräsidentin und Außenministerin. Sie ist die einzige Vertreterin von GERB-SDS in dieser Regierung. Es gibt kein Koalitionsabkommen, sondern nur ein „Gentlemen’s Agreement“, wie beide Seiten oft betonen.

Der frisch gewählte Denkow umriss die wichtigsten Baustellen seiner Regierung: Korruptionskampf und Justizreform sowie Bulgariens Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum und zur Euro-Zone. Finanzminister vor der für 2025 angestrebten Euro-Einführung ist der PP-Co-Vorsitzende Assen Wassilew, der dieses Ressort bereits in der 2022 gestürzten Regierung geleitet hatte.

Der neue Verteidigungsminister Todor Tagarew gilt als überzeugter Atlantiker und „politischer Falke“. Gleich bei der Amtsübernahme sagte Tagarew, Bulgarien müsse der Ukraine helfen, damit sie ihre Gegenoffensive fortsetzen und die von Russland besetzten Gebiete befreien könne. Mit ihm erwarten Beobachter eine konsequentere Unterstützung für die Ukraine – in Bulgarien wird etwa von der Ukraine dringend gebrauchte Munition hergestellt. Damit scheint ein Konflikt zwischen der neuen Regierung und Staatschef Radew vorprogrammiert: Der frühere Kampfjetpilot und Chef der Luftwaffe gilt als russlandfreundlich und kritisiert die pro-ukrainischen Parteien im Land als „Kriegstreiber“.

Unterdessen gratulierte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Denkow. Er freue sich auf die Zusammenarbeit und die weitere Stärkung „der engen Beziehungen zwischen Österreich & Bulgarien“, schrieb Nehammer auf Twitter. Gratulationen kamen auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie freue sich, mit Denkow und Gabriel an der gemeinsamen EU-Agenda, „für ein starkes Bulgarien in einem starken Europa“ zu arbeiten, erklärte sie.

(APA/dpa)

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