Der Dauerstreit zwischen der Wiener Ärztekammer und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) geht in die nächste Runde. Die Ärztekammer warnt vor einer massiven Reduktion der Geburtskapazitäten und kolportierte Pläne der Stadt, wonach die gynäkologischen Abteilungen der Kliniken Hietzing und Landstraße ab 2025 in Terminambulanzen umgewandelt werden sollen. Laut Ärztekammer sieht diese Änderung die dritte Verordnung zum Regionalen Strukturplan Gesundheit Wien 2025 (RSG Wien) vor.
Grund für die Änderungen sei das im RSG Wien prognostizierte Sinken der Geburtenrate, obwohl die MA 23 – Statistik zugleich einen Anstieg dieser vorhersagt. Es sei offensichtlich, dass „ein politischer Spardruck auf dem Rücken schwangerer Frauen ausgetragen wird“, meint Stefan Ferenci, Vizepräsident der Ärztekammer Wien. Selbst wenn andere Kliniken einen Teil der Geburten übernehmen würden, stünden laut Schätzungen der Ärztekammer ab 2025 „noch mindestens 1.000 bis 1.500 Frauen in Wien ohne Geburtsbetten“ da, heißt es in einer Aussendung. Eine Schätzung, die sich nach Recherche der BezirksZeitung so nicht ausgeht.
Genug freie Kapazitäten
In Wien wurden 2022 mehr als 19.000 Babys geboren. 12.853 davon in einem Spital des Wiener Gesundheitsverbunds (WiGev) und 4.119 im St. Josef Krankenhaus (VinzenzGruppe). Die Zahl der Geburten im ebenfalls öffentlichen Hanusch Krankenhaus (ÖGK) liegen für 2022 noch nicht vor. Alle weiteren Geburten fanden in privaten Kliniken bzw. im Privatbereich statt.
Der WiGev selbst kann gemeinsam mit dem St. Josef Krankenhaus laut Geschäftsbericht 18.000 Geburten jährlich stemmen – und kommt bislang auf knapp 17.000 Geburten. Eine Reduktion der Geburtskapazitäten ist darüber hinaus nicht vorgesehen, weder im RSG 2025 noch in der Ziel- und Gesamtplanung 2030, wie das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gegenüber der BezirksZeitung bestätigt.
Jene Kliniken, die die meisten Geburten in Wien verzeichnen, sind die Kliniken Floridsdorf, Donaustadt, Ottakring und Favoriten. Auch das AKH mischt hier gut mit, ist allerdings eher Anlaufstelle für kompliziertere Fälle. Die Klinik Hietzing rangiert hier auf einem der hintersten Plätze.
Geburtenrate entgegen Prognose gesunken
Die von der Ärztekammer Wien herangezogene Geburtenprognose der MA 23 stammt aus dem Jahr 2018. Diese berechnete tatsächlich jährlich einen leichten Anstieg an Geburten – die Realität sieht jedoch anders aus. Die Geburtenrate ist in den letzten Jahren gesunken und liegt rund 1.500 Geburten hinter der fünf Jahre alten Bevölkerungsprognose.
Die so genannte Schwerpunkt-Verlagerung von einem zum anderen Krankenhaus sei „gar nichts Unübliches“ und seit 2018 bereits mehrfach geschehen, so ein Sprecher von Stadtrat Hacker. So wurden die Geburten des Spitals Göttlicher Heiland ins St. Josef Krankenhaus und von der Semmelweißklinik in die Klinik Floridsdorf verlagert.
Darum sollen Geburten verlagert werden
Warum nun künftig Frauen in der Klinik Ottakring statt in der Klinik Hietzing entbinden sollen? Weil Ottakring über eine gut ausgebaute Neonatologie verfügt. Zudem wurden dort im vergangenen Jahr vier Kreißsäle modernisiert und ein fünfter Kreißsaal neu gebaut. Damit wurden die Kapazitäten von 1.400 auf 2.000 Geburten erhöht. Bis die Geburten von Hietzing nach Ottakring abwandern, ist allerdings noch länger Zeit. Vorgesehen ist die Verlagerung frühestens 2030.
Ähnliche Überlegungen gibt es auch bei der Klinik Landstraße. Da sollen die Geburten in Richtung Klinik Favoriten wandern. Wann dies der Fall sein wird, ist noch offen. Denn zuerst muss die Klinik Favoriten fertig umgebaut sein. Die Stadt rechnet frühestens 2030 bis 2032 damit.
„Wir sind sehr gut gerüstet für die kommenden Jahre. Niemand braucht sich fürchten, nicht gut umsorgt oder in Wien entbinden zu können“, so der Sprecher des Stadtrats. Detail am Rande: rund acht Prozent der Geburten entfallen auf Gastpatientinnen aus anderen Bundesländern. Es sei „unerhört, werdende Mütter so zu verunsichern“, zumal „die Ärztekammer Wien in den gesamten Prozess des RSG Wien miteinbezogen ist“.
(meinbezirk.at/Foto: Pixabay)