SPÖ und NEOS präsentieren „Aufschwungskoalition“ für Wien

Die SPÖ und NEOS haben im Wiener Rathaus ihr neues Regierungsprogramm vorgestellt und sprechen von einer „Aufschwungskoalition“. Das 191 Seiten starke Papier soll den politischen Kurs bis 2030 festlegen.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) betonte bei der Präsentation, dass der Fokus nicht auf Schlagzeilen, sondern auf konkreten Umsetzungen liege: „Wir stehen für eine Politik des Handelns und des Aufschwungs.“ Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling (NEOS) hob hervor, dass Politik spürbare Verbesserungen bringen müsse: „Wir wollen mutige Reformen angehen – für eine bessere Zukunft unserer Kinder.“

Schwerpunkte: Wirtschaft, Digitalisierung, Bildung

Ein zentrales Ziel ist die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Wien. Gemeinsam mit privaten Partnern soll sich die Stadt um ein europäisches AI-Rechenzentrum bewerben. In der Seestadt Aspern gebe es dafür geeignete Flächen und die nötige Energieinfrastruktur. Auch die Abwärmenutzung sei bereits gut organisiert.

Zusätzlich will sich Wien für die Austragung des Eurovision Song Contests bewerben. Dabei sollen neben Wien auch andere Regionen Österreichs präsentiert werden – wie schon 2015. Details zur Finanzierung stehen noch aus.

Im Bildungsbereich setzen SPÖ und NEOS auf die Stärkung der deutschen Sprache in allen Einrichtungen. Die Zahl außerordentlicher Schüler*innen soll reduziert, Sommer-Deutschkurse ausgeweitet und die Anwesenheit sprachförderbedürftiger Kinder erhöht werden.

Strukturelle Reformen und Investitionen trotz Sparkurs

Trotz angespannter Budgetsituation sind strukturelle Reformen geplant: Förderungen sollen evaluiert, neue Maßnahmen gegengefinanziert und Dividenden städtischer Beteiligungen erhöht werden. Parallel dazu soll weiterhin in Infrastruktur investiert werden.

Ziele sind u.a. der Ausbau des AI Life Science Centers, die Förderung von Forschung zu Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, der Aufbau eines Zentrums für Cybersicherheit und die Ansiedelung einer „AI Gigafactory“.

Reform der Mindestsicherung

Die Treffsicherheit der Mindestsicherung soll überprüft, insbesondere Mehrkindfamilien und Wohngemeinschaften stärker berücksichtigt werden. Eine bundesweite Lösung wird angestrebt, bei Ausbleiben aber auch eine Wiener Reform nicht ausgeschlossen. Ziel ist die rasche Integration Betroffener in den Arbeitsmarkt.

Verkehr und Umwelt: neue Ansätze

Geplant sind Teststrecken für autonomes Fahren, mehr Fahrradmitnahme in Öffis sowie das Pflanzen von 20.000 Bäumen. Die Ringstraße soll neu gestaltet und besser zwischen Fuß- und Radverkehr getrennt werden. Auch eine Solaroffensive ist vorgesehen.

Neuer Stadtsenat mit 13 Mitgliedern

Der neue Stadtsenat wird 13 Mitglieder haben – einer mehr als bisher. Die SPÖ stellt sechs Regierungsmitglieder, NEOS eines. Die Opposition (FPÖ, Grüne, ÖVP) erhält sechs nicht amtsführende Stadtratsposten. Das rote Regierungsteam wird nach den Gremiensitzungen am Mittwoch vorgestellt. Emmerling wird unter anderem das Bildungsressort übernehmen. Die konstituierende Gemeinderatssitzung findet am 10. Juni statt.

Kritik der Opposition

Die FPÖ sieht eine Fortsetzung der „Politik der Untätigkeit“. Dominik Nepp kritisierte „linke Ideologieprojekte“ und ein angeblich ungerechtes System der Mindestsicherung.

Die Wiener ÖVP sprach von einem „Kurs des Weiterwurstelns“ ohne Mut oder Innovation. Auch konkrete Maßnahmen zur Reform der Mindestsicherung oder zur Entlastung der Infrastruktur fehlten.

Die Grünen bemängelten das Fehlen jeglicher Konsolidierungsstrategie angesichts eines erwarteten Defizits von bis zu 3,8 Milliarden Euro. Der Klimaschutz sei erneut vernachlässigt worden.

Filzmaier: Streitpotenzial bei Einsparungen

Politologe Peter Filzmaier zeigte sich vom Begriff „Aufschwungskoalition“ überrascht – angesichts der seit fünf Jahren bestehenden Zusammenarbeit. Einsparungen könnten laut ihm künftig zu Konflikten führen: „Gegenfinanzierung heißt, man muss an anderer Stelle sparen oder Abgaben erhöhen – beides unpopulär.“

Der Lobau-Tunnel war bei der Präsentation kein Thema – laut Filzmaier ein Hinweis darauf, dass dessen Zukunft weiterhin ungewiss sei.

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