Wien ruft nach Systemerhaltern – aber wer kann sich das Wohnen hier noch leisten?

Wien gilt als Vorbild in Sachen sozialer Wohnpolitik: 750.000 Mietwohnungen, mehr als die Hälfte davon Gemeindewohnungen oder Genossenschaftswohnungen.

Auf dem Papier klingt das nach sozialer Gerechtigkeit und leistbarem Wohnen für alle. Tatsächlich aber zeigt sich ein anderes Bild – besonders für jene, die die Stadt am Laufen halten.

Pflegekräfte, Sozialarbeiter:innen, Kindergartenpädagog:innen, Polizist:innen oder Installateur:innen – also die sogenannten Systemerhalter:innen – sind in Wien dringend gesucht. Doch die Realität: Viele von ihnen können sich das Leben in der Stadt, die sie stützt, schlicht nicht mehr leisten.

Eine gemeinsame Recherche des Urban Journalism Network, ORF und der Wiener Zeitung zeigt, dass Wohnen auf dem freien Markt für diese Berufsgruppen kaum erschwinglich ist. Während die Mietkosten in Gemeindebauten im Durchschnitt unter 30 Prozent des Nettoeinkommens liegen – der Wert, der als „leistbar“ gilt –, explodieren die Preise am privaten Markt.

Die interaktive Karte der Studie macht sichtbar, was viele längst spüren: In zahlreichen Bezirken Wiens übersteigen die Mietpreise den Schwellenwert deutlich. Eine 50-Quadratmeter-Wohnung ist für viele Pflegekräfte oder Kindergartenpädagog:innen längst ein Luxusgut geworden. Selbst wer in einem sogenannten „systemrelevanten“ Beruf arbeitet, steht vor einer paradoxen Situation: gebraucht, aber nicht erwünscht – zumindest nicht im Zentrum der Stadt.

Zwar rühmt sich Wien mit seinem sozialen Wohnbau, doch die Wartelisten für Gemeindewohnungen sind lang, und Genossenschaftswohnungen sind ohne Eigenmittel kaum zugänglich. Der freie Markt hingegen folgt anderen Gesetzen – hier zählt nicht, wer die Gesellschaft am Laufen hält, sondern wer mehr zahlen kann.

Die Folge: Viele Beschäftigte pendeln täglich aus dem Umland, verbringen Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln und verlieren genau jene Lebensqualität, die Wien so gerne als Markenzeichen verkauft.

Die zentrale Frage bleibt: Wenn sich die Menschen, die Wien pflegen, unterrichten, sichern und reinigen, das Wohnen in Wien nicht mehr leisten können – für wen ist diese Stadt dann eigentlich noch leistbar?

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