In der EU gibt es kein Entkommen mehr: Fahrverbote gelten künftig europaweit

Ein neues EU-Gesetz beendet die bisherige Straflücke im Straßenverkehr: Ein in einem Mitgliedstaat ausgesprochenes Fahrverbot wird künftig in der gesamten Europäischen Union gültig sein – selbst dann, wenn der Führerschein in einem anderen Land ausgestellt wurde.

Das Europäische Parlament hat zwei umfassende Reformen des EU-Führerscheinrechts beschlossen: Die eine sorgt dafür, dass Sanktionen gegen verantwortungslose Fahrer:innen unionsweit anerkannt und vollstreckt werden, die andere modernisiert das System durch digitale Führerscheine und neue Prüfungsstandards.

Ende der Straflosigkeit für Verkehrssünder

Bislang konnte ein Fahrer, dem in einem EU-Land die Fahrerlaubnis entzogen wurde, in einem anderen Land oft problemlos weiterfahren – auch im Herkunftsstaat seines Führerscheins. Da es keine automatische europaweite Sperre gab, blieben rund 40 Prozent der im Ausland begangenen Verkehrsverstöße ungestraft, berichtet Euronews.

Mit dem neuen Gesetz wird sich das ändern: Ein Fahrverbot in einem Mitgliedstaat gilt künftig in der gesamten EU. Betroffen sind vor allem schwere Verkehrsdelikte – etwa Trunkenheit am Steuer, Fahren unter Drogeneinfluss, massive Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie Unfälle mit Todesfolge oder schweren Verletzungen.

„Dazu gehört auch die Nutzung von Mobiltelefonen oder anderen Geräten, die vom Fahren ablenken“, erklärte der italienische Sozialdemokrat Matteo Richetti, Berichterstatter des Gesetzes, nach der Abstimmung im Parlament.

Sobald ein EU-Staat ein Fahrverbot verhängt, muss er den Ausstellungsstaat des Führerscheins innerhalb von 15 Tagen informieren. Dieser wiederum ist verpflichtet, die Fahrerlaubnis für die Dauer der Sperre zu entziehen – was einem europaweiten Fahrverbot gleichkommt.

Unterschiedliche Standards bleiben eine Herausforderung

Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Ein Land kann die Umsetzung eines ausländischen Fahrverbots verweigern, wenn das betreffende Delikt nach nationalem Recht nicht gleich schwer bestraft würde. So unterscheiden sich die Alkoholgrenzwerte in der EU erheblich: Einige Länder entziehen den Führerschein bereits bei minimalen Promillewerten, andere erlauben begrenzte Mengen.

Auch bei Geschwindigkeitsverstößen bleibt ein Spielraum: Nur wer mindestens 50 km/h über dem lokalen Limit fährt, muss mit einem EU-weiten Fahrverbot rechnen – eine Regelung, die etwa auf deutschen Autobahnen ohne Tempolimit kaum greift.

Richetti räumte ein, dass das Parlament Kompromisse eingehen musste, um die Reform überhaupt durchzubringen. Dennoch bezeichnete er sie als „wichtigen Schritt zu mehr Verkehrssicherheit und Gerechtigkeit in Europa“.

Digitalisierung und neue Führerscheinstandards

Das zweite Gesetzespaket modernisiert das EU-Führerscheinrecht grundlegend. Es führt digitale Führerscheine, neue Prüfanforderungen und niedrigere Altersgrenzen für Berufskraftfahrer:innen ein.

Der digitale Führerschein, abrufbar über das Smartphone, soll schrittweise zur Standardform in der EU werden – auch wenn weiterhin physische Karten erhältlich bleiben.

Für Fahranfänger:innen gilt künftig eine zweijährige Probezeit mit strengeren Sanktionen bei Alkohol am Steuer, nicht angelegtem Sicherheitsgurt oder fehlender Kindersicherung.

Bereits 17-Jährige dürfen künftig den Führerschein erwerben, müssen jedoch bis zum 18. Geburtstag in Begleitung erfahrener Fahrer:innen unterwegs sein.

Um dem chronischen Mangel an Berufskraftfahrer:innen zu begegnen, wird das Mindestalter für Lkw-Fahrer:innen auf 18 und für Busfahrer:innen auf 21 Jahre gesenkt. Diese Maßnahme sorgt jedoch für Kritik.

„Die Senkung des Mindestalters für Berufskraftfahrer ist ein Sicherheitsrisiko“, warnte die griechische Europaabgeordnete Elena Kountoura (Linke). „Jüngere Fahrer sind nachweislich häufiger in schwere Unfälle verwickelt. Das Problem des Fahrermangels lässt sich nicht durch niedrigere Standards lösen, sondern durch bessere Bezahlung, Arbeitsbedingungen und ausreichende Ruhezeiten.“

Mehr Verkehrssicherheit als Ziel – aber Weg noch lang

Künftig sollen Fahrschulen stärker Themen wie tote Winkel, Ablenkung und den Umgang mit verletzlichen Verkehrsteilnehmer:innen wie Radfahrer:innen und Fußgänger:innen behandeln. Führerscheine bleiben EU-weit 15 Jahre gültig (bei Pkw und Motorrädern), fünf Jahre bei Lkw und Bussen. Für Fahrer:innen über 65 können die Mitgliedstaaten kürzere Gültigkeitsfristen festlegen.

Der von den EU-Regierungen bereits gebilligte Gesetzesrahmen muss nun innerhalb von drei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Ziel ist es, die EU-Strategie „Vision Zero“ zu unterstützen – also die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 zu halbieren.

Davon ist Europa allerdings noch weit entfernt: Im vergangenen Jahr kamen rund 19.800 Menschen auf Europas Straßen ums Leben – nur drei Prozent weniger als 2023.

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