Aufregung um Filmpremiere einer serbischen Doku in Wien

Ein Film über Republika Srpska sorgt bereits mit seinem Teaser für einen Aufstand in der bosnisch-herzegowinischen Community. Der Vorwurf: Leugnung von Verbrechen im Bosnien-Krieg und des Genozids in Srebrenica 1995. Der Regisseur wehrt sich. Am Ende wird die Doku, wie in anderen österreichischen Städten, auch in Wien nicht gezeigt.

„Ein Serbe sein heißt frei sein“ – mit dieser Aussage des bekannten Filmregisseurs Emir Kusturica fängt ein knapp 90-sekündiges Video an, welches gerade für sehr viel Aufsehen in den sozialen Netzwerken und besonders in der bosnisch-herzegowinischen Community sorgt. Dabei handelt es sich um die Vorschau zum Film „Republika Srpska: The Struggle for Freedom“ (z. Dt.: „Republika Srpska: Kampf für die Freiheit“) des serbischen-kanadischen Regisseurs Boris Malagurski.

Schon der Inhalt des Trailers war für einige Aktivistinnen und Aktivisten sowie Politikerinnen und Politiker Grund genug, die geplanten Filmpremieren in ganz Europa zu „canceln“. So wurde auch die Absage der vom Regisseur angekündigten Wien-Premiere gefordert.

In einem offenen Brief – unter anderem auch an Wiens Bürgermeister Michael Ludwig(SPÖ) – fordern Dennis Miskić, erster österreichischer Auslandsdiener am Srebrenica Memorial Center, Srebrenica-Überlebende Selma Jahić und Georgio Konstandi, Leiter eines Genozid-Aufklärungsprojekts, die Premiere des Films zu stoppen. Auch die Bürgermeisterin von Sarajevo, Benjamina Karić (SDP), wandte sich an Ludwig.

Und das aus zwei Gründen. Erstens soll der Trailer die Gründung von Republika Srpska (RS) im Bosnien-Krieg (1992-1995) als Kampf gegen die „Sklaverei“ und als „Kampf für die Freiheit“ verherrlichen. „Damit setzt der Regisseur seine jahrelange öffentliche Relativierung und Leugnung der im Namen des RS begangenen Verbrechen fort, darunter der Völkermord von Srebrenica 1995, der nach Auffassung des ICTY-Gerichts (UN-Kriegsverbrechertribunal, Anm.) von der RS-Armee begangen wurde“, heißt es im offenen Brief.

Der zweite Grund ist die vom österreichischen Nationalrat im Juli 2022 einstimmig verabschiedete Resolution, die die bosniakischen Opfer des Srebrenica-Völkermords ehrt und sich verpflichtet, dass Gedanken an den Völkermord weiterhin zu unterstützen sind.

Keine Filmpremiere in Wien

Die Filmaufführungen wurden auf der offiziellen Website von „Malagurski Cinema“ in 30 europäischen Städten angekündigt, doch die Liste der Termine ist seit einigen Stunden nicht mehr online. Die Europa-Premiere findet am Freitag, 14. Oktober, in Luzern (Schweiz) statt. Am 4. November sollte die Österreich-Premiere in Linz stattfinden – diese wurde abgesagt. Am Tag danach, am 5. November ab 20 Uhr, war die Projektion im Wiener Lugner Kino im 15. Bezirk angekündigt.

Doch nach BezirksZeitung-Informationen wurde beim Lugner Kino nur eine Anfrage eingereicht, der Film wird jedoch nicht im November gezeigt. „Wir haben noch nie über den Film öffentlich kommuniziert“, sagt Geschäftsführerin Jacqueline Lugner. Sie fügte hinzu, dass ihr Kino ein breites Spektrum an Filmen in unterschiedlichen Sprachen zeigt, doch derzeit ist die Aufführung der kontroversen Doku nicht geplant.

Auch andere österreichische Städte haben die Premieren abgesagt, ebenso wie einige Städte in Deutschland. Laut Miskić hätten die Kinos erklärt, dass die Filmpremieren als „private Veranstaltung“ gebucht worden sind und den Kinobetreibern der Inhalt „nicht bewusst“ gewesen war.

Regisseur weist Vorwürfe zurück

Der Regisseur selbst kommentierte die aktuelle Diskussion im Gespräch mit der BezirksZeitung als „surreal“: „Es ist mir unverständlich, warum viele Journalisten den Aktivisten nicht grundlegende Fragen stellen, etwa ´Wie können Sie etwas über den Inhalt eines Films behaupten, den Sie noch nicht einmal gesehen haben?´“. Die Anschuldigungen gegen ihn seien „voller Fehlinformationen, Lügen und Verleumdungen“, so Malagurski.

Im Gespräch mit der BezirksZeitung sagte Miskić, dass die Inhalte von Malagurskis Filmen in der Vergangenheit „typische Propaganda“ und Verschwörungstheorien seien. Zu dem Vorwurf, dass die Aktivisten den Film kritisieren, ohne ihn gesehen zu haben, sagt er: „Die Kritik wäre legitim, aber wenn im Teaser und in der Filmbeschreibung so ein Inhalt vorkommt, dann kann man nichts anderes erwarten“.

Zurück zum Filminhalt: Laut Malagurski erzählt der Film die Geschichte des serbischen Volkes, das westlich des Fluss Drina lebt. Der Inhalt befasst sich mit der Zeit vom mittelalterlichen Bosnien bis zum Ende des 20. Jahrhunderts:

„Der Film ist nicht politisch, sondern historisch und schenkt der Kultur, Tradition, Sprache, dem Essen und der Musik des serbischen Volkes in diesem Gebiet die größte Aufmerksamkeit“, erklärt der Regisseur. Und weiter: „Es vermeidet aber keineswegs, die Geschichte der Verbrechen zu erzählen, die von allen drei Seiten begangen wurden während des Bosnien-Krieges.“

Den Vorwurf einiger Kritiker, der Film verharmlost auch den Genozid in Srebrenica, weist Malagurski zurück: „Wir haben auch Szenen in Srebrenica gedreht, den Massenmord an Bosniaken verurteilt und das Urteils des Haager Gerichtshofes, dass das, was in Srebrenica geschah, einen Völkermord darstellt, weder verschwiegen noch angefochten“.

Sarajevos Bürgermeisterin mit Brief an Ludwig

Am Donnerstag meldete sich Sarajevos Bürgermeisterin Benjamina Karić mit einem Brief beim Salzburger Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) und forderte die Absage der Filmpremiere in seiner Stadt. Kurz darauf bekam Karić die Bestätigung, dass die Filmpremiere nicht wie geplant stattfindet. Karić soll auch Wiens Bürgermeister Ludwig um eine Absage gebeten haben.

Doch das Büro von Bürgermeister Ludwig habe nicht auf die offenen Briefe der Aktivisten sowie Sarajevos Bürgermeisterin geantwortet. Eine Antwort hat das Büro jedoch der BezirksZeitung gegeben. Demnach habe die Stadt kein Recht, Filmpremieren zu stoppen. „Wir haben keinen Berührungspunkt zu der Filmpremiere und können bei Filmen bei Privatunternehmen nichts machen“, sagt ein Sprecher.

Abschließend fragte die BezirksZeitung beim angesprochenen Filmregisseur nach, was er zu den Briefen von Sarajevos Bürgermeisterin hält: „Ein Politiker soll zuerst die Fakten analysieren, bevor er sich entscheidet und man fragt sich, warum die Bürgermeisterin zu dem Film Stellung nimmt, ohne ihn gesehen zu haben“. Er fügte hinzu, dass der Film auch eine „hervorragende touristische Werbung“ für die bosnisch-herzegowinische Hauptstadt sei“, da viele Sehenswürdigkeiten wie Moscheen, Kirchen und orthodoxe Kirchen gezeigt worden sind.

(meinbezirk.at/Foto: YouTube)

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