Coronakrise: Deutsche Wirtschaft stürzt in eine Rezession

Die Coronakrise trifft die deutsche Wirtschaft hart. Europas größte Volkswirtschaft wächst nicht mehr, sondern schrumpft. Eine rasche durchgreifende Erholung erwarten Ökonomen nicht – im Gegenteil. Und dennoch könnte Deutschland am Ende als wirtschaftlicher Gewinner aus der Coronakrise gehen.

Deutschland ist im Zuge der Coronakrise in eine Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Berlin mitteilte.

Der Rückgang sei im Quartalsvergleich der mit Abstand stärkste seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 und der zweitstärkste seit der deutschen Wiedervereinigung. Im März hatte sich die Pandemie in Europa ausgebreitet. Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Grenzen und Geschäfte brachten das Wirtschaftsleben in großen Teilen zum Erliegen.

Im Schlussquartal 2019 ging die Wirtschaftsleistung nach neuer Berechnung der Wiesbadener Behörde gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent zurück. Sinkt die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer „technischen Rezession“.

Die Wirtschafts-Talsohle kommt erst noch

Mit dem Konjunktureinbruch im ersten Vierteljahr ist nach Einschätzung von Volkswirten die Talsohle allerdings noch nicht erreicht. Die Bundesregierung rechnet im Gesamtjahr 2020 mit der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte.

Die Wirtschaftsleistung der größten Volkswirtschaft Europas dürfte demnach um 6,3 Prozent schrumpfen, obwohl es im zweiten Halbjahr wieder aufwärts gehen soll. In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 5,7 Prozent gesunken. Die weltweite Coronakrise mit unterbrochenen Lieferketten belastet vor allem den Export, aber auch den privaten Konsum.

Ökonomen gehen davon aus, dass der Absturz im zweiten Quartal, als die Corona-Maßnahmen erst richtig durchschlugen, dramatisch ausfallen wird. „Der Tiefpunkt der Krise dürfte mit dem April jetzt zwar hinter uns liegen, der Anstieg wird sich aber nur allmählich vollziehen, und von Normalität kann noch für längere Zeit keine Rede sein“, erläuterte jüngst Stefan Kooths, Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Gefahr durch sinkende Kauflaune der Deutschen

Volkswirte der Deutschen Bank rechnen im zweiten Vierteljahr mit einem BIP-Einbruch um 14 Prozent zum Vorquartal. Ökonomen der staatlichen Förderbank KfW sagen der deutschen Wirtschaft „einen langen Weg aus dem Corona-Tal“ voraus.

Die Angst vor Kurzarbeit oder gar Arbeitsplatzverlust dämpft die Stimmung der Verbraucher. Das Konsumklima sank nach Angaben der Marktforscher der Nürnberger GfK auf einen historischen Tiefstand. Die Corona-Pandemie könnte die Kauflaune der Menschen noch längere Zeit beeinträchtigen: Jeder Dritte glaubt einer GfK-Befragung zufolge, dass sich seine finanzielle Situation in den nächsten zwölf Monaten verschlechtern wird.

In der Vergangenheit hatte vor allem die Kauflaune der Verbraucher Europas größte Volkswirtschaft am Laufen gehalten. Der deutsche Export hatte bereits 2019, belastet von internationalen Handelskonflikten und der Abkühlung der Weltkonjunktur, an Tempo verloren.

Trotz Rezession: Deutschland könnte als Gewinner aus der Krise gehen

Trotz der schweren Rezession in welche die deutsche Wirtschaft gerutscht ist, geht in der EU die Angst um, dass Deutschland als einer der großen Profiteure aus der Krise hervorgeht.

Wie jede Krise hat auch die Corona-Pandemie ihre Chancen. Unternehmen, die am Ende dank staatlicher Hilfe relativ gut dastehen, könnten schwächelnde Konkurrenten schlucken oder sind einfach nur wieder schneller am Start, um Wettbewerbern Marktanteile abzujagen.

Und die Bundesregierung versucht derzeit wie nie zuvor, deutsche Unternehmen mit Staatshilfen zu unterstützen. Insgesamt hat die EU-Kommission bisher laut eigenen Angaben 1,95 Billionen Euro an staatlichen Hilfen genehmigt.

Und der mit Abstand größte Teil dieses Betrags entfiel mit 51 Prozent auf Deutschland. Es folgen Frankreich mit 17 Prozent und Italien mit gut 15 Prozent, bei Belgien sind es drei Prozent. Alle anderen EU-Staaten liegen derzeit darunter.

In anderen Ländern wird deshalb befürchtet, dass dies zu einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen in EU führen könnte.

Deutsches Vorgehen ist auch im Interesse der anderen EU-Staaten

„Wenn einer mehr geben kann als andere, dann sind wir dabei, die Wettbewerbsregeln zu verzerren“, sagte jüngst der aus Spanien stammende EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Dies könne den EU-Binnenmarkt „stark beeinträchtigen“.

Aus Frankreich, das traditionell viel stärker als Deutschland auf Staatshilfen setzt, kommt bisher eher verhaltene Kritik an Berlin: „Wir wollen, dass der Rahmen einheitlich angewandt wird“, heißt es aus Paris. Es müsse sichergestellt werden, „dass im Binnenmarkt gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen, wenn Transaktionen erlaubt werden.“

Ein hochrangiger Vertreter der spanischen Regierung geht weiter: „Deutschland hat haufenweise Geld, um seine Unternehmen bei Bedarf zu finanzieren“, sagt er. „Das Mindeste, was wir tun können, ist zu verlangen, dass es sich solidarisch zeigt.“

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sieht das deutsche Vorgehen bei Staatshilfen aber auch im Interesse aller Mitgliedstaaten. „Es ist wichtig, dass Deutschland so handelt, denn es ist auf gewisse Weise die Lokomotive Europas“, sagte die Dänin vergangene Woche.

Es sei aber natürlich „traurig, dass nicht alle denselben Haushaltsspielraum wie Deutschland haben“. Dafür müssten „Lösungen gefunden werden“. (dpa/thp)

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