Das 5G-Netz wird die Supermärkte verändern. Der neue Mobilfunkstandard hat Einfluss auf so gut wie alles – von den Einkaufswagerln bis hin zu Logistik und Transport der Ware. Und das weitgehend, ohne dass es die Öffentlichkeit groß bemerken würde.
„90 Prozent der Digitalisierung bekommen die Kunden gar nicht mit“, sagt Andreas Kranabitl, IT-Geschäftsführer von Spar Österreich, im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“. Die österreichische Supermarktkette betreibt am Franz-Jonas-Platz in Floridsdorf einen Interspar, der als Test-Filiale für 5G fungiert. Hier sind beispielsweise die Einkaufswagerl bereits 5G-fähig und mit dem Funknetz verbunden. Lange Schlangen werden damit von vornhinein vermieden. Ein Computer registriert genau, wie viele Wagerl gerade im Supermarkt unterwegs sind, wie lange sie bereits unterwegs sind und wo sie unterwegs sind. Auf Basis von Erfahrungswerten wird prognostiziert, wann diese an die Kassa kommen werden. Droht ein Stau, wird eine weitere Kassaöffnung angeleiert, bevor er entsteht.
Einkaufswagerl verraten dunkle Ecken
Die Informationen, die die Einkaufswagerl übermitteln, bieten natürlich weitere Vorteile. „Wir wissen, wie sich der Kunde durch den Supermarkt bewegt. Welche Stellen sind stärker frequentiert? Welche Produkte sind besonders interessant? Gibt es Zonen, zu denen die Kunden gar nicht kommen, weil etwas den Weg versperrt oder ein Regal ungünstig positioniert ist?“, führt Kranabitl aus. Entsprechend kann man in der Filiale reagieren. Sorgen um den Datenschutz müsse man sich keine machen, sagt Kranabitl. „Wir speichern mit den Einkaufswägen keine Kundendaten, schon gar nicht personenbezogene.“ Die Informationen dienen ausschließlich der Optimierung des Unternehmens.
„Wir wissen auch außerhalb des Supermarktes immer genau, wo unsere Einkaufswägen sind. Einer kostet immerhin 200 Euro“, sagt Kranabitl. Besonders in Wien seien entführte Trolleys ein Problem: „Man möchte gar nicht glauben, wo die überall landen.“
Ortung mit 5G-Netz auf bis zu 20 Zentimeter genau
Möglich macht das alles das 5G-Netz. Krimischauer wissen, dass beispielsweise Handyortungen eine eher approximative Angelegenheit sind – zumindest bisher. Mit den Vorgängerstandards 4G und LTE kommt man auf bis zu 20 Meter genau an die gesuchte Stelle heran. Mit 5G hingegen ist eine Ortung auf bis zu 20 Zentimeter genau möglich. Hinzu kommt eine besonders stabile Internetverbindung.
„Die Ortung könnte man vielleicht sogar noch ohne 5G hinbekommen“, erklärt Kranabitl. „Aber die Sicherheitsqualität ist nur mit 5G gegeben.“ Diese ergibt sich durch das sogenannte Network-Slicing, das bei 5G für besondere Stabilität sorgt.
Eigentlich gibt es nicht mehr „das Netz“, auf das alle Teilnehmer zugreifen. Es sind vielmehr parallel betriebene, virtuelle Netze auf Basis einer gemeinsamen, physischen Infrastruktur. Vereinfacht gesprochen, passiert Folgendes: Vom Gesamtnetz wird eine Scheibe abgeschnitten (gesliced) und maßgeschneidert für besondere Zwecke – etwa die Einkaufswagerl – beziehungsweise bestimmte Kunden – in diesem Fall Spar – zur Verfügung gestellt. Das heißt, egal wie viele Netzteilnehmer gerade surfen und unabhängig davon, wie viele gerade übertragungsintensive Katzenvideos in HD-Qualität schauen: Das Unternehmen erhält stets seine benötigten Internet-Ressourcen. Das bedeutet keine Verbindungsabrisse oder Verlangsamung. Das bedeutet aber auch, dass lokale Internetverteiler überflüssig werden. Denn dank Network
Slicings befindet man sich bereits im firmeneigenen Netz.
Kranabitl begeistert die Vision von Büros und Filialen ohne Netzwerkkabel: „Die vielen Kabel sind ja nicht besonders schön.“ In Zukunft könnte im Prinzip alles im Supermarkt über 5G laufen: die Registrierkasse, die Preisschilder, die Bildschirme mit Sonderangeboten.
Noch fehlt es an (leistbaren) Geräten
Bis zur komplett ausgestatteten 5G-Filiale wird es noch eine wenig dauern. Das liegt nicht zuletzt an den Geräten. Denn für 5G braucht es Endgeräte, die diesen Standard unterstützen. Doch die Auswahl ist derzeit noch so begrenzt, wie sie kostspielig ist. Das Salzburger Unternehmen, dessen Filialnetz sich über Österreich, Norditalien, Ungarn, Slowenien und Kroatien erstreckt, hat allerdings bereits einen ersten Anlauf gestartet: In Zagreb wird derzeit eine kabellose Verwaltungszentrale gebaut.
Kranabitl ist indes schon einen Schritt weiter. Er kann sich vorstellen, 5G auch in der Logistik einzusetzen. Schon jetzt errechnet die Künstliche Intelligenz beispielsweise, wann und wie viele Himbeeren in Österreich oder Italien geerntet werden müssen, damit sie zum richtigen Zeitpunkt in den Regalen stehen. Sogar die Wetterprognose wird bei den Berechnungen berücksichtigt: Verspricht das Wochenende beispielsweise warm und schön zu werden, so wird im Supermarkt alles fürs Grillen bereitgestellt. Mit dem 5G-Netz und allen mit ihm verbundenen Geräten, die in Echtzeit miteinander kommunizieren, lässt sich die Effizienz weiter verbessern. Man könnte beispielsweise mit Warenregistrierung und dem Beladungsprozess von Lkw praktisch schon beginnen, während diese noch unterwegs sind.
Noch ist es zwar nicht so weit und die Neuerungen in Floridsdorf sind auch erst ein Versuch und keine Unternehmensstrategie, wie Kranabitl betont. Doch allzu weit ist der Einzug der 5G-Supermärkte wohl nicht entfernt.
(WienerZeitung.at)