Flughafen Wien: Dritte Piste kommt nicht

Der Flughafen Wien hat am Dienstagabend bekanntgegeben, dass das Projekt einer dritten Piste nicht weiterverfolgt wird. Nach einer umfassenden Analyse aller relevanten Entscheidungsfaktoren habe der Vorstand diesen Schritt beschlossen, teilte das Unternehmen in einer Presseaussendung mit.

Trotz dieser Entscheidung sei weiteres Wachstum möglich. Mit dem Ausbau der Terminalkapazitäten und dem bestehenden Zweipistensystem könne der Flughafen auch künftig bis zu 52 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen.

Als Hauptgründe für das Aus nennt der Flughafen massiv gestiegene Baukosten von rund zwei Milliarden Euro sowie veränderte Rahmenbedingungen infolge der langwierigen Genehmigungsverfahren. Während im Jahr 2005 pro Flugbewegung durchschnittlich 71 Passagiere befördert wurden, sind es 2024 bereits 139 – dank größerer Flugzeuge. Dadurch sei der Kapazitätsdruck auf das Pistensystem deutlich gesunken. Zudem stehen die größten Airline-Kunden dem Projekt kritisch gegenüber. Ohne Refinanzierung durch höhere Tarife sei das Projekt wirtschaftlich nicht tragfähig, so die Vorstände Mag. Julian Jäger und Dr. Günther Ofner.

Ein Pistenausbau wird für die Zukunft allerdings nicht grundsätzlich ausgeschlossen – bei entsprechendem Bedarf könnte in weiter Ferne ein neuer Genehmigungsprozess eingeleitet werden.

Bilanzielle Auswirkungen und neue Prognose

Die Entscheidung hat auch bilanzielle Folgen: Zahlungen in Höhe von 55,9 Millionen Euro aus dem Mediationsvertrag (2018–2020), die im Zusammenhang mit dem Pistenprojekt an den Umweltfonds und betroffene Gemeinden geleistet wurden, müssen nicht liquiditätswirksam berichtigt werden. Daher passt die Flughafen Wien AG ihre Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2025 an – das erwartete Nettoergebnis vor Minderheiten wird von 230 auf rund 210 Millionen Euro gesenkt. Darin enthalten sind auch positive Effekte einer besseren Verkehrsentwicklung in den letzten Wochen.

Über 20 Jahre Streit um die dritte Piste

Die dritte Piste war über Jahrzehnte ein umstrittenes Thema. Während Wirtschafts- und Tourismusvertreter der Ostregion das Projekt unterstützten, gab es Widerstand von Umweltorganisationen und Anrainern. Die ersten Pläne stammen aus dem Jahr 1996, Anfang der 2000er begann ein Mediationsverfahren mit der Bevölkerung. 2007 wurden Umweltverträglichkeitserklärung und Projektunterlagen eingereicht, 2019 gab der Verwaltungsgerichtshof endgültig grünes Licht.

Die COVID-19-Pandemie verzögerte den geplanten Baustart (ursprünglich 2024/2025). Seit 2022 befindet sich die Luftfahrtbranche wieder im Aufschwung.

Eigentümerstruktur: Die Stadt Wien und das Land Niederösterreich halten jeweils 20 % der Anteile am Flughafen. Die Mitarbeiterbeteiligungs-Privatstiftung besitzt 10 %, Airports Group Europe 44 %, der Streubesitz liegt bei rund 6 %.

Politische Reaktionen

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einer „wirtschaftlichen Entscheidung“ und betonte die Bedeutung der Modernisierung und Weiterentwicklung der Flughafenregion. Wiens Wirtschaftsstadträtin Barbara Novak (SPÖ) bezeichnete die Entscheidung als „verantwortungsvoll, vorausschauend“ und „ein klares Signal in Richtung Nachhaltigkeit“.

Kritik kam hingegen von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, der das Aus für die Piste als „verheerendes Signal für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Österreich“ bezeichnete. Er warf ÖVP, SPÖ und NEOS vor, sich „grünen Ideologen“ untergeordnet zu haben.

Ein weiterer Faktor für die Entscheidung war laut Flughafen die noch immer ausstehende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren zur Bauzeitverlängerung – 17 Monate nach Einlegung des Rechtsmittels.

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