Lunacek hatte am Freitag nach der immer heftiger werdenden Kritik an ihrer Person und ihrem Umgang mit der Kulturszene in der Krise die Reißleine gezogen: Nach 129 Tagen hat die Grün-Politikerin ihr Amt als Kunst- und Kulturstaatssekretärin zurückgelegt. Trotz ihrer Bemühungen seien die Unzufriedenheit und Enttäuschung im Kulturbereich „nicht geringer“ geworden und habe sie „keine positive Wirkung mehr erzielen“ können. „Ich mache Platz für jemanden anderen“, verlautbarte Lunacek daher am Freitag.
Für die Auswahl Lunaceks übernahm Kogler in einer Sonder-ZIB am Freitag die Verantwortung: „Es war de facto meine Entscheidung.“ Die Idee sei gewesen, ihr europapolitisches Profil für die heimische Kulturlandschaft zu nutzen, sagte Kogler und verwies darauf, dass „Österreich bei der Kultur in der Weltliga ist“. Tatsächlich habe sich die Situation anders entwickelt, die Coronavirus-Krise sei gekommen, und die Grenzen seien dicht gewesen.
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„Mayer würde Kriterien erfüllen“
Lunacek sei „wirklich eine großartige Politikerin“, so Kogler, der aber einschränkte: „Jetzt ist nicht so viel gelungen, das stimmt.“ Er wolle Anfang Dienstag oder Mittwoch eine Nachfolgerin für Lunacek vorstellen, sagte Kogler. Ihm sei wichtig, eine „professionelle, engagierte und kompetente Person“ zu finden. Er führe schon Gespräche, und er habe auch eine Favoritin. Einen Namen nannte er aber nicht.
Vizekanzler Kogler zum Neustart in der Kultur
„Vergleich mit Baumärkten unzulässig“
Kogler verwies erneut darauf, dass die Regierung die Krise gut bewältige – „auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern“. Man sei nun in die Lage versetzt, viel schneller Aufsperrmaßnahmen setzen zu können. Kaum ein anderer Staat gehe so schnell voran, so überlege das Mailänder Opernhaus Scala, heuer überhaupt nicht mehr aufzusperren.
„Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“, sagte Kogler. Einen Vergleich mit Baumärkten ließ er nicht zu und verwies auf Quadratmeter- und Abstandsregelungen. „Das ist im Kulturbereich nicht anwendbar“, so Kogler. „Wir wollen ambitionierte und mutige Schritte setzen, aber schrittweise, weil wir das Virus im Auge behalten müssen.“ Den Stufenplan zur Wiederaufnahme des Kulturbetriebs für Juni und Juli habe er am Freitag mit Gesundheitsminister Anschober präsentiert. Es gehe darum, „etwas zu ermöglichen“.
Kulturveranstaltungen ab Ende Mai möglich
Die prekäre Situation vieler Künstlerinnen und Künstler sei ihm bewusst, so Kogler. Dazu gebe es Diskussionen. „Wir werden uns jetzt damit auseinandersetzen, was hier die Budgetlinien sind.“ Die Schwierigkeiten lägen bei den vielen Vereinen, die gemeinnützig organisiert sind. „Hier wollen wir mit einem eigenen Schutzschirm vorgehen.“ Viele Künstlerinnen und Künstler hätten außerdem keine soziale Absicherung. Sie sollen ein Auskommen mit den diversen Fonds finden, sagte Kogler, auch der Härtefallfonds sei ein Regulativ dafür, auch wenn das nicht immer funktioniere.
Van der Bellen: „Wert an sich“
Van der Bellen forderte am Freitag nicht nur Zuspruch, sondern eine finanzielle Absicherung für die Kunstschaffenden. „Kunst und Kultur haben einen Wert an sich jenseits aller kommerziellen Verwertbarkeit“, sagte Van der Bellen. Zugleich würden nicht Kulturschaffende wesentlich in Interaktion mit der Kunst leben, sei es als Besucher in einer Gemäldegalerie oder als Publikum in einem Konzert. Unvergesslich sei ihm eine „Salome“-Aufführung bei den Salzburger Festspielen, „und ich bin überhaupt kein Opernfan“, sagte Van der Bellen, „ich war aber hingerissen“. Und zugleich seien Kunst und Kultur auch ein Wirtschaftsfaktor, betonte der Bundespräsident die ökonomische Bedeutung des Kunst- und Kulturbereichs.
IG Kultur: Keine Lösung „drängender Probleme“
IG-Kultur-Geschäftsführerin Yvonne Gimpel sagte am Freitag, Lunaceks Rücktritt „löst keine der drängenden Probleme“. Spekulationen über die Nachfolge und Vergangenheitsaufarbeitung würden davon ablenken, „worum es seit Wochen gehen sollte: wirksame Hilfen und brauchbare Konzepte, die endlich eine Arbeitsperspektive geben“. Die Kultur brauche „eine starke Stimme. Jemanden mit ausgewiesener Kulturkompetenz und Politikerfahrung“, so Gimpel.
Nachfolge offen, Ruf nach neuen Konzepten
Für ein Einarbeiten mitten in der Krise sei schlichtweg keine Zeit. „Es dürfen nicht weitere Wochen verstreichen, in der die in Kunst und Kultur Tätigen wieder nur vertröstet werden. Konkrete Vorschläge liegen schon lange auf dem Tisch, und das in großer Zahl.“ Was es jetzt brauche, sei „der politische Wille, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen“.
Dass die Kunst-und-Kultur-Agenden in ein Staatssekretariat verräumt wurden, sei jedenfalls „ein fataler Fehler“ gewesen, dessen Konsequenzen nun die Kunst- und Kulturschaffenden in voller Härte träfen. Für „schlichtweg skandalös“ hält Gimpel den Umstand, dass noch immer nichts Konkretes zum geplanten NPO-Fonds bekannt sei.
IG Autorinnen Autoren: „Chance“ für „Korrektur“
Für Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren, bietet Lunaceks Rücktritt die „einzigartige Chance einer Korrektur der verunglückten Staatssekretariatslösung“. „Dem Stellenwert der Kunst und Kultur im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben entsprechend muss eine Regierungsumbildung mit dem Ergebnis eines Kunst- und Kulturministers/einer Kunst- und Kulturministerin die Folge sein“, forderte Ruiss.
satt, ORF.at/Agenturen