Andrij Jermak bestätigte anschließend öffentlich seine volle Kooperation und erklärte auf sozialen Plattformen, die Ermittler hätten uneingeschränkten Zugang zu seiner Wohnung. Seine Anwälte hätten noch während der Durchsuchung vor Ort eng mit dem Ermittlungsteam zusammengearbeitet.
Zuvor hatte das Online-Medium Ukrajinska Prawda berichtet, dass mehrere Ermittler im Regierungsviertel im Einsatz gewesen seien. Ob auch Jermaks Büros oder andere offizielle Räumlichkeiten betroffen waren, blieb zunächst offen.
Jermak gilt als zentraler Machtfaktor im Umfeld von Wolodimir Selenskij. Er leitet aktuell außerdem das ukrainische Verhandlungsteam in Gesprächen mit den USA über ein mögliches Ende des russischen Angriffskriegs. Seine jüngste Berufung an die Spitze der Friedensdelegation sorgte in politischen Kreisen in Kiew für Verwunderung – da auch er und der Präsident zuvor im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen unter Druck geraten waren.
Laut Recherchen der britischen Finanz-Tageszeitung Financial Times stehen die Ermittlungen gegen Jermak mutmaßlich im Zusammenhang mit Vorwürfen im staatlichen Energiesektor. Vor wenigen Wochen hatten ukrainische Behörden ein weitreichendes System illegaler Schmiergeldzahlungen rund um mehrere staatliche Energieunternehmen öffentlich gemacht.
Die „Midas-Affäre“ – ein systemischer Milliardenfall
Im Zentrum des Skandals steht die sogenannte Midas-Causa, ein landesweit organisiertes kriminelles Netzwerk, dem vorgeworfen wird, staatliche Gelder in großem Umfang veruntreut zu haben. Die Ermittlungen deuten auf einen Schaden von rund 86 Millionen Euro hin.
Konkret sollen Bestechungsgelder beim Bau von Schutzanlagen für kritische Energieinfrastruktur geflossen sein – also für jene Einrichtungen, die ukrainische Energieanlagen und das Stromnetz vor russischen Luftangriffen schützen sollten. Dabei wurden laut Behörden Unregelmäßigkeiten und manipulierte Verträge zur Sicherung des Stromnetzes entdeckt.
Die Affäre hatte bereits massive politische Konsequenzen: Mehrere ranghohe Regierungsmitglieder, darunter die ehemalige Energieministerin und ihr Vorgänger, verloren ihre Ämter. Zudem kam es zu zahlreichen Festnahmen, darunter auch zu Verhaftungen in der Führungsebene staatlicher Unternehmen – einschließlich des großen staatlichen Atomenergie-Betreibers Enerhoatom.
Bedeutung für Selenskij
Für Selenskij bedeutet der Fall vor allem ein politisches und kommunikatives Risiko. Zwar richtet sich die Untersuchung nicht direkt gegen ihn – doch die Tatsache, dass sein engster politischer Partner im Zentrum der Ermittlungen steht, verstärkt den Druck auf seine Regierung zu zeigen, dass bei Anti-Korruptionsmaßnahmen keine Ausnahmen gemacht werden.
Gleichzeitig fällt der Skandal in eine Phase geopolitisch entscheidender Verhandlungen. Beobachter warnen, dass die Affäre nicht nur innenpolitische Spannungen verschärft, sondern auch das Vertrauen internationaler Partner in die ukrainische Reformbereitschaft beeinträchtigen könnte – ein Aspekt, der für künftige Sicherheits- und Friedensgespräche eine zentrale Rolle spielt.