Die Umfrage war bereits am 2. April beendet, das Ergebnis aber trotz Drängens von Parteifreunden wegen der Coronavirus-Krise nicht ausgewertet worden. Nun wurde es – mehr als einen Monat später – den Vorstandsmitgliedern zu Beginn einer Sitzung in der Wiener Marx-Halle präsentiert. Die postalisch oder online eingetroffenen Fragebögen wurden laut Parteiangaben sicher verwahrt und sollen erst kurz vor der Präsentation im Vorstand ausgewertet worden sein.
In absoluten Zahlen sprachen sich 46.579 SPÖ-Mitglieder dafür aus, dass die Partei ihre Arbeit mit Rendi-Wagner an der Spitze fortsetzt. 42,7 Prozent (67.319 Einsendungen) hatten an der Befragung teilgenommen, also auch die inhaltlichen Punkte beantwortet, die den Gutteil der Befragung ausmachten. Die Vertrauensfrage beantworteten 41,3 Prozent. Der Rest kreuzte hier also weder Ja noch Nein an.
Parteigranden gegen Befragung
Nun sieht sich Rendi-Wagner durch das Ergebnis gestärkt, wie sie in einer Pressekonferenz im Anschluss an den Parteivorstand sagte. „Mir hat das Ergebnis auch eines gezeigt: dass Mut zu haben, sich nicht davor zu scheuen, den Weg zu gehen, den man für richtig hält, die Mitglieder mitreden zu lassen, der richtige Weg ist – allen Unkenrufen zum Trotz“, sagte sie.
Rendi-Wagner war wegen schwacher Wahlergebnisse und Umfragewerte unter Druck geraten, auch Querschüsse von Parteigranden hatten wiederholt Führungsdebatten zur Folge. Der Parteibasis die Vertrauensfrage zu stellen wurde als Versuch eines Befreiungsschlags gewertet. In den Parteigremien erhielt sie für diesen Plan wenig Zuspruch: Sie setzte die Befragung nur mit Mühe durch.
Anliegen der Mitglieder: Diskussionen intern führen
Sie habe nun ein klares Votum mit einer „absoluten Rekordbeteiligung“, so Rendi-Wagner. Man habe aus der Befragung drei Botschaften erhalten. Die Mitglieder wollten mitreden, so Rendi-Wagner. Zweitens solle die Parteivorsitzende ihre Arbeit fortsetzen. Als dritten Punkt hätten die Mitglieder sich dafür ausgesprochen, dass die Partei „endlich“ zusammenhalten solle. Laut der Befragung sind 89,9 Prozent der Mitglieder der Meinung, dass die SPÖ bei aktuellen Themen ihre Positionen intern ausdiskutieren soll, um dann nach außen eine klare gemeinsame Linie zu zeigen.
Das sei ein Auftrag, aber auch eine Chance, so Rendie-Wagner. Die Sozialdemokratie müsse nun in der Öffentlichkeit mit einer Stimme sprechen, so Rendi-Wagner im Hinblick auf parteiinterne Kritiker. Im Vorstand habe man eine „sehr gute Diskussion“ über das Ergebnis gehabt. Viele seien „positiv überrascht“ gewesen und hätten ihr Rückhalt gegeben. Alle hätten nun verstanden, dass die Mitgliederbefragung eine Stärkung für die gesamte Partei bedeute.
Politischer Fahrplan für SPÖ
Inhaltlich habe die Befragung ergeben, dass den SPÖ-Mitgliedern drei Schwerpunkte besonders wichtig seien: ein stabiles Gesundheitssystem (85,7 Prozent der Teilnehmer bewerteten diese Forderung als „sehr wichtig“), Pflegesicherheit und Verteilungsgerechtigkeit. Am anderen Seite der Skala fand sich das Recht auf eine Viertagewoche, das nur 33 Prozent für sehr wichtig halten.
Sie habe nun dem Parteivorstand ein politisches Papier vorgelegt mit dem Titel „Neue Solidarität für Österreich“. Es stelle einen Fahrplan für die künftige politische Partei dar. Die Schwerpunkte darin lägen in der Stärkung des Sozialstaats mit Fokus auf Gesundheit und Pflege, Investitionen in Beschäftigung und Steuergerechtigkeit. Man müsse angesichts der Coronavirus-Pandemie aufpassen, dass es keine „Pandemie der Armut“ werde. Die Krise habe den Ruf nach einem starken Sozialstaat wieder lauter werden lassen, zu diesem müsse man sich bekennen.
Abseits des klassischen Weges an die Spitze
Rendi-Wagner ist seit September 2018 Vorsitzende der SPÖ, zunächst geschäftsführend. Sie war erst seit rund eineinhalb Jahren Parteimitglied, als sie – auch mangels Personal – zur Chefin gemacht wurde. Davor war die Medizinerin Sektionschefin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, später Gesundheits- und Frauenministerin.
Filzmaier über Rendi-Wagner
Dass Rendi-Wagner nicht die klassische Funktionärslaufbahn genommen hatte, machte ihr mitunter auch das Führen der Partei schwer. Oftmals wurde ihr das Fehler einer Hausmacht attestiert, kritische Stimmen aus den eigenen Reihen wurden immer wieder laut. Die Ernennung Christian Deutschs als Bundesgeschäftsführer wurde kritisiert, ebenso Kündigungen in der Parteizentrale, die Ende November via E-Mail und ohne vorherige Ankündigung ausgesprochen wurden.
Bei der Nationalratswahl im vergangenen Jahr fuhr die SPÖ mit 21,2 Prozent ein historisches Debakel ein. Dass sie am Wahlabend dem Parteivolk dann auch noch zurief, dass „die Richtung stimmt“, hängt Rendi-Wagner bis heute nach.
Gegen die „nervigen Führungsdiskussionen“
Zuletzt hatten sich die Stimmen in der SPÖ wieder gemehrt, die Rendi-Wagner den Rücken stärkten. Nun, nach dem Votum, bleiben manche weiter zurückhaltend. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sah „deutlichen Rückenwind“ für Rendi-Wagner. Bei einer „für viele unerwartet hohen Beteiligung“ sei die Zustimmung für die Parteichefin von 71,4 Prozent „erfreulich gut“ ausgefallen, teilte er am Mittwoch mit. Kaiser appellierte, „die nervigen und uns selbst fesselnden Führungsdiskussionen unverzüglich einzustellen“.
Unterstützung kam auch aus der Steiermark. Der Landesparteivorsitzende Anton Lang forderte nach der Bekanntgabe des Ergebnisses „vollen Rückhalt“ für die SPÖ-Spitzenfrau – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Der Landesparteivorsitzende der SPÖ Salzburg, Walter Steidl, sah in dem Ergebnis ein klares Signal für einen Neustart der Sozialdemokratie.
Burgenland nimmt zur Kenntnis
Der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl sah nach der Mitgliederbefragung „alle offenen Diskussionspunkte und Fragen mehr als eindeutig beantwortet“. Das Ergebnis sei „wie ein Neustart empfunden worden“, so Schnabl nach dem SPÖ-Vorstand. „Allen ist ein Stein vom Herzen gefallen“ – mehr dazu in noe.ORF.at.
Tirols SPÖ-Landesparteivorsitzender Georg Dornauer bezeichnete das Ergebnis als „Vertrauensbeweis“. Interne Debatten seien damit „ein für alle Mal vom Tisch“, teilte er mit. Die Beteiligung von 41,3 Prozent hielt er dagegen für „gut, aber ausbaufähig“. Dennoch sei es ein „deutliches Lebenszeichen unserer Basis“, sagte Dornauer.
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hatte Rendi-Wagner noch am Vortag im ORF-„Report“ kritisiert. Die Vertrauensfrage habe in der SPÖ „niemand gewollt“, so Doskozil. Nach dem Votum für Rendi-Wagner wollte sich Doskozil vorerst nicht äußern, der burgenländische Landesgeschäftsführer Roland Fürst sagte, man nehme das Ergebnis zur Kenntnis – mehr dazu in burgenland.ORF.at.
smek, ORF.at/Agenturen