„Die Ärzteschaft fühlt sich alleine gelassen mit ihren Problemen“, fasste Peter Hajek die Ergebnisse einer Umfrage unter 1.894 angestellten Ärzten in Wien zusammen. Grund der Befragung im Auftrag der Wiener Ärztekammer war eine Reihe von sogenannten Gefährdungsanzeigen.
84 Prozent der Wiener Spitalsärzte sehen Qualitätsverluste in Patientenversorgung
84 Prozent der Wiener Spitalsärztinnen und -ärzte stimmen der Aussage zu, dass „die aktuellen Rahmenbedingungen im Spital zu einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in der medizinischen Betreuung der Patientinnen und Patienten führen“. 64 Prozent stimmen dieser Aussage sehr zu, weitere 20 Prozent eher. Nur zwei Prozent stimmen der Aussage gar nicht zu. 78 Prozent stimmen der Aussage zu, dass es große Engpässe bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten an den Wiener Spitälern gebe – 50 Prozent sehr, weiter 28 Prozent eher.
82 Prozent geben auch an, dass die aktuellen Rahmenbedingungen zu einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in der medizinischen Ausbildung von Turnusärztinnen und -ärzten führt. Diesen Punkt sehen Jüngere zwar noch kritischer, aber auch Ältere sind mehrheitlich dieser Auffassung.
Wiener Spitalsärzte üben heftige Kritik an Wiener Stadtpolitik
Die Stadtpolitik kommt bei den Wiener Spitalsärzten und – ärztinnen gar nicht gut weg. 72 Prozent geben an, dass die Wiener Stadtpolitik „nichts gegen die Probleme in Wiener Spitälern“ tue. Und 68 Prozent stimmen zu, dass Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) die Gefährdungsanzeigen aus Wiener Spitäler „nicht ernst genug“ nehme.
Der Präsident der Wiener und der österreichischen Ärztekammer, Johannes Steinhart, erläuterte, dass solche Gefährdungsanzeigen primär ein internes Instrument seien. Sie sollten eigentlich zu Veränderungen führen, das sei aber nicht geschehen. Stefan Ferenci, Kurienobmann der angestellten Ärzte und Vizepräsident der Wiener Ärztekammer erklärte dazu, dass es Gefährdungsanzeigen schon länger gebe, es seien aber keine Konsequenzen gezogen worden. Deshalb hätten sich die Kollegen an die Öffentlichkeit gewandt. Von Seiten des Wiener Gesundheitsverbundes (WIGEV) habe es stattdessen eine „Maulkorberlass“ gegeben. Ferenci warf dem WIGEV vor, dass zahlreiche Kollegen kündigen, weil der Gesundheitsverbund ihnen sage, dass sie gehen sollten, wenn ihnen die Rahmenbedingungen nicht passen würden.
Ärztekammer will Ärzte ermuntern Missstände zu melden
In den kommenden zwei Wochen will die Wiener Ärztekammer nun „Aktionswochen“ veranstalten und alle Spitäler besuchen. Dabei wolle man die Kollegen ermutigen, weiter Missstände zu melden. Zu dem für den morgigen Mittwoch angekündigten Streik an den Wiener Ordensspitälern ist die Wiener Ärztekammer ausdrücklich „solidarisch“.
Ferenci verwies darauf, dass alle bisher präsentierten Lösungsvorschläge etwa drei bis sechs Jahre dauern würden, bis sie Früchte tragen. Er schlägt deshalb als erste Schritte vor, zunächst offen und ehrlich über die Baustellen zu reden und die Probleme anzusprechen. Zudem müssten zunächst alle offenen Dienstposten besetzt werden – „koste es, was es wolle.“
Wiener Stadtrat Hacker weißt Ärzte-Kritik zurück
Stadtrat Hacker wollte die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. „Wie wir wissen, fährt die Ärztekammer seit Wochen eine millionenschwere Kampagne gegen die Wiener Spitäler“, sagte Hacker in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Er versicherte aber, dass seine Gesprächsbereitschaft mit der Ärztekammer jederzeit bestehe. „Die Tür für Ärztekammerpräsident Steinhart ist immer offen. Das wird auch genützt, aber nicht immer im Lichte der Öffentlichkeit“, sagte der Stadtrat.
AK-Präsidentin Anderl verweist auf Situation des Pflegepersonals
Unzufrieden seien neben den Ärzten und Ärztinnen aber auch die Pflegekräfte, sagte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung am Dienstag. Knapp 85 Prozent sagen, dass in ihrem Team in den letzten zwei Wochen mindestens eine Pflegetätigkeit oft weggelassen oder mit Verzögerung durchgeführt werde. Das zeige die aktuelle MissCare-Austria Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität, die am morgigen Mittwoch auf einer Veranstaltung der AK Wien vorgestellt wird.
Viele notwendigen Pflegeleistungen würden unter den Tisch fallen, da dafür die Zeit fehle. Dadurch würden etwa gefährliche Situationen seltener erkannt werden und viele Menschen schlecht informiert aus dem Krankenhaus entlassen werden. Das wiederum resultiere in einer Vielzahl von vermeidbaren Wiederaufnahmen im Krankenhaus.
Auch Diakonie-Direktorin fordert Pflegekräfte zu entlasten
In dieselbe Kerbe schlug am Dienstag auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Die Politik muss dringend Rahmenbedingungen schaffen, die die Pflegekräfte entlasten und gute Pflege ermöglichen. Allen voran geht es da um mehr Zeit und dafür braucht es eine Erhöhung der Personalschlüssel“, wird sie in einer Aussendung zitiert.
(vienna.at/Agenturen)