24-Stunden-Betreuung in Gefahr

Die Wiener Wirtschaftskammer warnt davor, dass sich bis zum Herbst viele Menschen die 24-Stunden-Betreuung nicht mehr leisten können. In der Pflegereform nicht vorgesehen verschlimmert sich das Problem durch die aktuelle Teuerung.

In Wien gibt es derzeit rund 4.500 Menschen, die eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen. Seit 2007 ist die staatliche Förderung dafür von 550 Euro nicht valorisiert, sprich an die Inflation angepasst worden. Bei den anhaltend hohen Preisen wird die Bezahlung der Betreuerin bzw. des Betreuers immer mehr zur Herausforderung. Eine Valorisierung sei daher längst fällig. Auch aktuell spiele das Modell bei der Pflegereform kaum eine Rolle, berücksichtigt würden vor allem die unselbstständigen Personen und damit nur eine sehr kleine Gruppe.

Die Wirtschaftskammer legt die Situation an einem Beispiel dar: Ein Mann pflegt seine Frau mit Hilfe zweier 24-Sunden-Betreuerinnen. Nach Abzug aller Kosten bleiben dem Ehepaar von Pension, Pflegegeld und Förderung nur knapp 1.000 Euro zum Leben im Monat. Dabei helfen solche Menschen dem Staat sparen, so das Argument: Ein Heimplatz koste im Vergleich zur 24-Stunden-Pflege daheim ein Vielfaches. Die Kammer fordert daher, die staatliche Förderung anzupassen und zu verdoppeln sowie die Pflegestufen vernünftig zu erhöhen.

Finanzielle Sorgen nehmen zu

Prinzipiell sei das seit 2007 existierende Modell für die 24-Stunden-Pflege sehr gut, lobte Fachgruppenobmann Harald Janisch von der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung in der Wiener Wirtschaftskammer. Allein die Förderung von 550 Euro im Monat sei viel zu gering, wird beklagt. Nötig sei eine Aufstockung auf mindestens 700 Euro. „Das ist die Minimalforderung“, betonte der Chef der Fachgruppe.

Ähnlich wie die Wirtschaftskammer argumentierte auch Birgit Meinhard-Schiebel, die Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger. Sie verwies darauf, dass es in Österreich fast eine Million pflegende Angehörige gebe. Immer wieder würden von den Betroffenen finanzielle Sorgen artikuliert. Oft sei es nötig, für die Begleichung der Kosten eigenes Vermögen einzusetzen, erläuterte Meinhard-Schiebel. Nötig sei eine Anhebung der Förderung und anschließend indexbasierte jährliche Anpassungen, hielt sie fest.

Betreuer bekommen Teuerung auch zu spüren

Gleichzeitig zur finanziellen Zuspitzung droht ein Engpasse bei den Pflegekräften. Auch die Betreuer spüren die Teuerung, etwa durch höhere Kosten für die Anreise. „Wir können uns heute nicht mehr leisten, für ein Honorar zu arbeiten, das sich seit 15 Jahren nicht verändert hat“, warnte Bibiana Kudzinova. Die Slowakin vertritt die Berufsgruppe der Personenbetreuer in der Fachgruppe. Die enorme Teuerungswelle treffe auch viele Pflegerinnen aus der Slowakei, wo die Preise etwa für Energie ebenfalls gestiegen seien, berichtete sie. Und: Ein Problem würden auch die gestiegenen Fahrtkosten darstellen.

Unisono wurde betont, dass die Kosten für einen Pflegeplatz in einer Einrichtung für die öffentliche Hand weit höher wären – vor allem nach Abschaffung des Pflegeregresses in ganz Österreich. Dieser würde pro Monat mindestens an die 5.000 Euro kosten, gab man zu bedenken.

Neues Modell für 24-Stunden-Betreuung im Herbst

Die Regierung hatte Mitte Mai ein umfangreiches Maßnahmenpaket für die Pflege geschnürt, das insgesamt eine Milliarde Euro schwer ist – mehr dazu in Eine Milliarde Euro für Pflege. Allerdings umfasst diese Reform die 24-Stunden-Pflege nicht. Für diese wurde von Sozialminister Johannes Rauch ein neues Modell im Herbst angekündet und auch die Förderung soll angehoben werden.

Das komme aber angesichts der aktuellen Teuerung zu spät, so die Kritik. Energiekosten, Lebensmittel und Unterkünfte für die Betreuerinnen und Betreuer würden ja ebenfalkls teurer. Im Schnitt kostet die Betreuung zu Hause 2.500 bis 3.100 Euro pro Monat. Hinzu kommen die Fahrtkosten der Betreuerin oder des Betreuers von circa 200 Euro und eine Agenturpauschale von ebenfalls circa 200 Euro. Diese Kosten müssen ebenfalls von den Angehörigen übernommen werden.

(ORF)

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