Angesichts der hohen Migrationszahlen in Österreich macht sich die Bundesregierung für mehr Zäune an den Außengrenzen der Europäischen Union stark. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sich wegen der hohen Asylzahlen klar für mehr Grenzbarrieren an den EU-Außengrenzen ausgesprochen. „Wir müssen endlich das Tabu Zäune brechen“, sagte Nehammer vor wenigen Tagen im Vorfeld des EU-Gipfels in Brüssel.
Im ausführlichen „Kronen Zeitung“-Gespräch mit Star-Interviewerin Conny Bischofberger hat Österreichs Regierungschef die Forderung noch einmal unterstrichen und dabei auch ein Machtwort gesprochen. „Es gibt zwei Gründe, warum ich das gesagt habe. Erstens: Die EU-Kommission tut sich schwer, Mitgliedsländer bei der Frage von technischen Sperren an den Außengrenzen zu unterstützen. Gerade an der griechisch-türkischen Grenze, am Evros, sehen wir aber, dass sie sehr wohl etwas nützen“, so Nehammer zur „Krone“.
Migranten wollten Zaun einreißen
Es hätte dort auch einen schweren Zwischenfall gegeben, „wo Österreich Griechenland mit einer Sondereinheit der Cobra unterstützt hat.“ Gewaltbereite Migranten hätten aus der Türkei kommend versucht, den Zaun einzureißen, um die Grenze zu überschreiten. Es sei ihnen aber nicht gelungen, „obwohl auch Tränengas gegen die Polizei eingesetzt wurde.“ Zweitens sei auch die Diskussion wichtig, „um Länder wie Bulgarien, aber auch Rumänien, Serbien und Ungarn, die alle von einem hohen Migrationsdruck betroffen sind, an den Grenzen zu unterstützen.“
Laut Bundeskanzler Nehammer hätten Zäune eine hemmende Funktion und „sie wirken“. „Durch sie kann man illegale Migration kanalisieren, stärker kontrollieren und so illegale Übertritte verhindern. Ein Zaun braucht aber auch Überwachung, Beamte und technisches Equipment. Ich kann nur dann gegen organisierte Kriminalität, Menschenhandel und Schlepperei vorgehen, wenn ich fokussiert Aktionen gegen kriminelle Strukturen setzen kann“, erklärt der ÖVP-Chef gegenüber der „Kronen Zeitung“.
Auf die Frage von Bischofberger, was mit jenen Menschen passiert, die über den Zaun klettern, antwortete Nehammer: „Das kommt immer auf das jeweilige Land an. Wenn das irreguläre Migranten sind, dann werden sie zurückgestellt und wenn sie um Asyl ansuchen, werden Asylverfahren durchgeführt.“ Wenn Migranten den Zaun gewaltbereit überwinden, „dann werden sie hoffentlich daran gehindert“, so der Kanzler weiter.
„So, wie ich gesagt habe“
Angesprochen darauf, ob man Migranten auch mit Gewalt daran hindern solle, über Zäune zu klettern, stellte der ÖVP-Chef klar: „Wir kennen diese Szenen aus Nordafrika, den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla. Wenn der Migrant versucht, mit Gewalt den Zaun einzureißen und so die Grenze zu übertreten, dann hat das jeweilige Land auch das Recht, sich entsprechend zu schützen.“ Bischofberger hakte daraufhin beim Regierungschef nach und fragte: „Also auch mit Gewalt?“ Nehammer: „So, wie ich gesagt habe.“
Der Punkt laut Karl Nehammer sein, dass man den Menschen „glaubhaft ein Gefühl der Sicherheit geben muss, indem man die Entschlossenheit demonstriert, gegen organisierte Kriminalität, gegen radikalisierte Organisationen, vorgehen zu können. Das kann ich nicht, wenn ich als Staat nicht in der Lage bin, meine Außengrenzen zu kontrollieren und zu schützen. Das muss unser Fokus sein.“
„Vertrauen in Union zurückgeben“
Und weiter: „Wenn wir wollen, dass die Europäische Union bei den Menschen weiterhin das Vertrauen genießt, wenn die europäische Integration ein Projekt der Zukunft und nicht der Vergangenheit sein soll, dann müssen wir den Menschen das Vertrauen in die Union zurückgeben, das sie zum Teil verloren haben“, so der Kanzler im Interview mit der „Krone“.
ÖVP-Kanzler Nehammer stellte in dem Gespräch mit Conny Bischofberger auch klar, dass es Brennpunkte an bestimmten Grenzen geben würde. „Derzeit haben wir die Brennpunkte Bulgarien-Türkei und Serbien-Ungarn. Technische Sperren kanalisieren den Druck und machen polizeiliches Handeln leichter.“
Österreich unterstütze etwa Nordmazedonien, Serbien, aber auch Ungarn, mit Polizisten vor Ort, mit Wärmebildfahrzeugen, um gegen die organisierte Kriminalität und die Schlepperei vorzugehen. „Und es braucht auch immer das politische Zusammenwirken“, so Nehammer.
„Das darf uns nicht egal sein“
Angesprochen auf die Situation in Österreich, erklärte Nehammer: „Was wir in Österreich gerade erleben, sind 75.000 irreguläre Migranten, die gar nicht registriert sind. Von über 100.000 Asylanträgen sind 75.000 zuvor nicht polizeilich registriert worden, wenn sie eine EU-Außengrenze überschritten haben. Das bedeutet nichts anderes, als dass in Wahrheit noch viel, viel mehr unregistrierte Personen die Außengrenzen überschreiten.“
Und: „Das darf uns nicht doch in Europa nicht egal sein, wenn wir bei Zehntausenden Menschen nicht wissen, wann und wo sie die Grenze überschritten haben und mit welchen Motiven. Diesbezüglich bin ich wirklich ein glühender Europäer und deshalb war es mir als Bundeskanzler wichtig, das bei den EU-Regierungschefs auf die Tagesordnung zu setzen.“
(heute.at/Foto: gettyimages)