Brüssel wirft der polnischen Regierung seit Jahren vor, mit Justizreformen die Unabhängigkeit der Gerichte zu untergraben. Deshalb hatte die Kommission die im Wiederaufbaufonds vorgesehenen Milliardenhilfen für Warschau zurückgehalten. Im Mai gab Warschau dann bekannt, eine Einigung mit der EU erzielt zu haben. Anfang Juni schlug Kommissionschefin Ursula von der Leyen vor, die Mittel unter Auflagen freizugeben.
Drei Bedingungen
Demnach muss Polen drei Bedingungen erfüllen: Eine Disziplinarkammer für Richter des Obersten Gerichtshofs muss aufgelöst, das Disziplinarsystem für Richter und Staatsanwälte reformiert und bereits sanktionierten Justiziaren die Möglichkeit eingeräumt werden, ihren Fall erneut prüfen zu lassen. Die Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer hat Warschau bereits umgesetzt.
Kritiker aus der polnischen Opposition und Richterverbände bemängeln jedoch, dass auch das neue Gesetz die Bedenken hinsichtlich der politischen Beeinflussung der Justiz in Polen nicht ausräume. Auch innerhalb der EU-Kommission gibt es Zweifel daran, ob Warschau es mit seinen Reformen ernst meint. Das EU-Parlament zeigte sich „besorgt“ und rief die Mitgliedsstaaten auf, dem Vorschlag für eine Freigabe der Gelder unter Auflagen nicht zuzustimmen.
Beim Treffen der Finanzminister machten nun Belgien, Dänemark, die Niederlande und Schweden in einem gemeinsamen Schreiben ihre Skepsis geltend. Sie forderten insbesondere, dass in Polen „automatisch alle Richter, die unter Verletzung des Erfordernisses der richterlichen Unabhängigkeit entlassen und suspendiert wurden“, wiedereingestellt werden. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, es habe zwar Enthaltungen gegeben, aber kein Land habe gegen den Kommissionsvorschlag gestimmt.
(ORF)