Donauwasser schlägt hohe Wellen im Neusiedler See

Während der Neusiedler See in der Sommerhitze bei niedrigstem Wasserstand daliegt, rücken am heutigen Freitag Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner nach Ungarn aus. Dort wollen sie mit dem Außenminister Peter Szijjarto über die Verlängerung eines Bewässerungskanals aus einem Donauarm bis in den Seewinkel verhandeln und ein Memorandum of Understanding, also eine Absichtserklärung, unterzeichnen.

Das Burgenland stützt sich dabei auf ein Gutachten aus einer Machbarkeitsstudie. Zentrales Ergebnis ist, wie der Leiter der Arbeitsgruppe des Landes Christian Sailer der „Wiener Zeitung“ erklärt: Grundsätzlich sei die Zuleitung von Donauwasser unter gewissen Auflagen geeignet, um das Austrocknen des Sees zu verhindern.

Das Gutachten war bereits am Beginn der Zusammenarbeit auf Expertenebene mit Ungarn eingeholt worden. 30 Millionen Kubikmeter Donauwasser können demnach zugeleitet werden. Damit kann der Wasserstand des Neusiedler Sees um zehn Zentimeter gehoben werden. Das soll bei einem Wasserstand von 115,2 Metern über der Adria gestartet werden. Derzeit liegt dieser bei 115,04 Metern. Um das Vorhaben umsetzen zu können, ist vorgesehen, dass der Kanal von Ungarn gut einen Kilometer bis nach Andau im Seewinkel verlängert wird. Dadurch sollen fehlender Niederschlag und stärkere Verdunstung ausgeglichen werden. „Das Grundsatzgutachten war das Erste, das wir machen haben lassen“, sagt Sailer. Bedingung war der Einsatz der Zuleitung nur bei niedrigem Wasserstand. Das soll vermeiden, dass bei hohem Wasserstand des Sees und Starkregen alles kippt.

Wasser ist nicht gleich Wasser

Aus Sicht von Limnologen, also Seeexperten, gestaltet sich die Umsetzung des Unterfangens nicht ganz so einfach. Denn Wasser ist nicht gleich Wasser – vor allem nicht, wenn es um den Neusiedler See geht. „Seine chemische Zusammensetzung ist einzigartig für Europa“, sagt der Limnologe Martin Dokulil. Er sei ein salzhaltiger Soda-See. Die Basis dafür wurde geschaffen, als es noch gar keine Menschen gab: Vor rund 20 Millionen Jahren war das Wiener Becken von einem Meer – und somit von Salzwasser – erfüllt. Ablagerungen von damals finden sich noch immer im Sediment.

„Die Bezeichnung, Das Meer der Wiener‘ ist also gar nicht so falsch“, ergänzt Rainer Kurmayer, stellvertretender Leiter des Forschungsinstituts für Limnologie der Universität Innsbruck in Mondsee. Hand in Hand mit der für den See ureigenen chemischen Zusammensetzung gehe das Ökosystem. „Es besteht aus Pflanzen und Tieren, die gelernt haben, mit dem Salzgehalt umzugehen“, so Kurmayer zur „Wiener Zeitung“.

Leitet man nun Wasser zu, etwa aus der Donau, das nicht nur kälter als das Seewasser, sondern auch chemisch anders zusammengesetzt ist, so wirbelt das laut Kurmayer die Ökosysteme gehörig durcheinander. Die zwei wesentlichen Fragen seien daher, wie viel Wasser und in welcher Form man dieses in den Neusiedler See fließen lässt. „Ist es nur eine geringe Menge, so wäre das nicht bedenklich -es würde dann aber natürlich auch nicht so viel für den Wasserspiegel bringen.“ Würde man mehr Wasser einleiten, damit man den Effekt auch sieht, so dürfe das jedoch auf keinem Fall auf direktem Weg passieren, sagt Dokulil: „Das direkte Vermischen wäre entsetzlich. Es würde den See total kaputt machen.“

Vielmehr müsste man daher einen subtileren Weg wählen. „Wenn man das zugeleitete Wasser in das Grundwasser verpresst, sollte das die Ökologie nicht so sehr stören“, sagt Dokulil. Dadurch könnte sich das Wasser auf seinem Weg in den See zum Beispiel schon mit den Salzen aus dem Bodensubstrat anreichern.

Dass damit in den See „fremde“ Mikroorganismen, Pflanzen, Muscheln, Lurche oder sogar Fische eingeschleppt werden können, lasse sich aber auch so nicht verhindern, meint Kurmayer. Und: Man müsse sich die Frage der Nachhaltigkeit stellen. „In naher Zukunft hat die Donau womöglich auch nicht mehr genug Wasser.“ Ein Zuleitungssystem, das freilich einiges kostet, könnte dann obsolet sein.

Salzlebensräume erhalten

Sailer von der Arbeitsgruppe des Burgenlandes hält dem zwei Fakten entgegen. Bei Hochwasser würden Raab und Donau auch so das Grundwasser im Seewinkel beeinflussen. Und: Im westlichen Teil des Neusiedler Sees gebe es mit der Wulka schon jetzt einen Zufluss.
Die Umweltschutzorganisation WWF spricht sich dennoch gleich gegen jede Art von Zuleitung aus. Man solle den Neusiedler See einfach sich selbst überlassen, heißt es von dieser. Und damit die Salzlebensräume in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

(WienerZeitung.at)

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