Hochdruck bei der Suche nach Corona-Medikament

Bisher gibt es keinen Impfstoff, der eine Ansteckung unterbindet. Ein spezifisch wirkendes Medikament könnte helfen, schwere Verläufe abzumildern oder gar zu verhindern.

Die Welt stemmt sich gegen das Coronavirus. Ein zielgerichtetes Medikament gegen die von Sars-CoV-2 verursachte Lungenerkrankung Covid-19 gehört bisher nicht zum Arsenal. Doch die Forschung läuft auf Hochtouren. Experten setzen vor allem darauf, Medikamente einzusetzen, die bereits für andere Anwendungen erprobt sind. Diese müssten dann nicht mehr so aufwendig getestet werden.

So wollen Tübinger Mediziner das Medikament Chloroquin im Kampf gegen Corona-Erkrankungen testen. Bereits in der kommenden Woche soll mit einer Studie an Menschen begonnen werden. Chloroquin ist eigentlich ein Medikament gegen Malaria. Es wirke aber auch gegen viele Viren, sagen die Forscher. Auch gegen Sars-CoV-2, wie zumindest Versuche im Reagenzglas zeigten.

Großteil erholt sich ohne Behandlung

Die meisten Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 anstecken, benötigen keine Medikamente. Etwa 80 Prozent der Infizierten erholen sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ohne besondere Behandlung. Doch es kann auch zu einem schweren Krankheitsverlauf mit Atemproblemen kommen. Meist sind das Menschen aus Risikogruppen wie Krebskranke in Chemotherapie, ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen.

„Sie werden behandelt wie ein Patient, der eine schwere Lungenentzündung hat – nur dass wir eben kein Antibiotikum haben wie bei einer bakteriellen Infektion“, erläutert Susanne Herold, die an der Justus-Liebig-Universität Gießen eine Professur für Infektionskrankheiten der Lunge hat. Die Patienten würden etwa mit Sauerstoff versorgt oder künstlich beatmet.

„Repurposing“: Alte Medikamente neu verwenden

Bisher gibt es keinen Impfstoff, der eine Ansteckung unterbindet. Ein spezifisch wirkendes Medikament könnte helfen, schwere Verläufe abzumildern oder gar zu verhindern. Schaut man bei ClinicalTrials.gov, der größten Datenbank zu klinischen Studien, nach Studien zu Covid-19, die in Vorbereitung sind oder bereits Teilnehmer aufnehmen, landet man derzeit bei deutlich mehr als 50 Treffern. In zahlreichen dieser Untersuchungen werden Medikamente oder Wirkstoffe getestet, die bereits im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen entwickelt und untersucht wurden – darunter neben Chloroquin das Hepatitis-Präparat Ribavirin und ein Mittel gegen Multiple Sklerose (Fingolimod).

„Repurposing“ nennen Fachleute diese Herangehensweise, bei denen bereits für einen bestimmten Zweck getestete Mittel für einen anderen Zweck umgewidmet werden. Die meisten der klinischen Studien laufen in China, weil es dort die größte Anzahl an Patienten gibt, die daran teilnehmen können.

Hoffnungsträger Remdesivir

Für die Prüfung infrage kommen nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) unter anderem Substanzen, die die Vermehrung von Viren hemmen oder die verhindern, dass sie in die Zellen eindringen, sogenannte Virostatika.

Große Hoffnungen setzen Fachleute auf die Substanz Remdesivir. Sie wurde ursprünglich gegen Ebola-Infektionen entwickelt, brachte aber in der klinischen Prüfung keine guten Ergebnisse. Eine gewisse Wirksamkeit zeigte sich gegen das Mers-Coronavirus, das 2012 entdeckt wurde. Nun wollen Mediziner prüfen, ob sich der Wirkstoff möglicherweise auch zur Behandlung von Covid-19 einsetzen lässt.

Noch Monate bis zu einem offiziell zugelassenen Medikament

Derzeit laufen fünf Studien – in China und den USA – mit dem Mittel. Erste Patienten haben Remdesivir bereits erhalten, in den USA sind darunter Covid-19-Patienten von Bord der „Diamond Princess“, jenem Kreuzfahrtschiff, das zwei Wochen lang wegen des Coronavirus im Hafen von Yokohama in Japan unter Quarantäne gestellt worden war. Anfang April könnten erste Ergebnisse vorliegen. Bis ein offiziell zugelassenes Medikament – egal mit welchem Wirkstoff – verfügbar ist, dürften aber noch viele Monate vergehen.

Um klinische Studien kommt man aber auch bei bereits bekannten Mitteln nicht herum. Man spart allerdings bei der Zulassung eines Präparats im besten Fall Zeit. „In einem Zulassungsverfahren werden drei grundlegende Dinge geklärt, nämlich die Wirksamkeit, die Verträglichkeit und die technische Qualität eines Medikaments“, erläutert vfa-Sprecher Rolf Hömke. „Ist ein Medikament bereits für eine andere Anwendung zugelassen, ist die Verträglichkeit geprüft und die technische Qualität belegt. Nachgewiesen werden muss nach wie vor, dass das Mittel gegen die Krankheit wirkt.“

Bereits erforschte Wirkstoffe können also unter Umständen schneller in die Phase der klinischen Prüfung eintreten, in der das Mittel an größeren Patientengruppen getestet wird – und dann bei erfolgreicher Testung auch schneller zugelassen werden.

(apa/dpa/wienerzeitung.at)

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