Auf seine Botschaft, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu einem persönlichen Gespräch bereit sei, habe es von Putin „keine Reaktion“ gegeben, sagte Nehammer. Er sagte auch, er habe den Eindruck, dass in der Ostukraine eine große russische Offensive vorbereitet werde, die die ukrainischen Streitkräfte kennen und sich darauf vorbereiten, sie einzukreisen.
Zudem setzte der russische Präsident offenbar darauf, einen allfälligen Dialog über die ins Stocken geratene Verhandlungen in der Türkei fortzusetzen, sagte der ÖVP-Bundeskanzler. „Er hat nach wie vor Zutrauen in die Istanbuler Friedensgespräche.“ Er werde dazu auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sprechen.
Es müsse auch eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen geben, forderte Nehammer. Zu diesem Thema habe es eine heftige Diskussion gegeben. Putin unterstelle der internationalen Gemeinschaft in diesen Fragen nämlich Parteilichkeit. „Putin ist massiv in der Kriegslogik angekommen und handelt auch entsprechend“, so der Kanzler. Anfangs habe Putin den Begriff „Krieg“ nicht akzeptiert, gegen Ende habe der russische Präsident jedoch sinngemäß gesagt, er hoffe, dass dieser bald ende.
„Gespräch direkt, offen und hart“
Zuvor hatte das Bundeskanzleramt mitgeteilt, es habe sich nicht um einen „Freundschaftsbesuch“ gehandelt. Das Gespräch sei „direkt, offen und hart“ gewesen. Auch habe er die Kriegsverbrechen in Butscha und anderen Orten in der Ukraine angesprochen. „Meine wichtigste Botschaft an Putin war (…), dass dieser Krieg endlich enden muss, denn in einem Krieg gibt es auf beiden Seiten nur Verlierer.“
Die Begegnung fand in Putins Residenz in Nowo-Ogarjowo bei Moskau statt, berichtete die staatliche russische Agentur TASS. Von russischer Seite waren weder Bilder des Treffens noch Informationen für die Medien im Anschluss geplant, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte. Auch auf österreichischen Wunsch gab es keine gemeinsamen Bilder und kein gemeinsames Pressestatement.
Sanktionen, „solange Menschen sterben“
Die Reise nach Russland sei für ihn „eine Pflicht“ gewesen, unterstrich der Bundeskanzler. „Eine Pflicht aus der Verantwortung heraus, nichts unversucht zu lassen, um eine Einstellung der Kampfhandlungen oder zumindest humanitäre Fortschritte für die notleidende Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bewirken.“
Er wies darauf hin, dass er „die schweren Kriegsverbrechen in Butscha und anderen Orten angesprochen“ und betont habe, „dass all jene, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen sind. Ich habe Präsident Putin auch in aller Deutlichkeit gesagt, dass die Sanktionen gegen Russland aufrecht bleiben und weiter verschärft werden, solange Menschen in der Ukraine sterben.“ Nehammer hatte erst am Wochenende die Ukraine besucht und dabei auch die Stadt Butscha bei Kiew besichtigt.
(ORF/dunav.at)