Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat im Streit um das EU-Embargo gegen russisches Öl für Ungarn Verständnis gezeigt. Dass Ungarn dementsprechend Kompensationen fordere, „diesen Weg unterstützt Österreich“, so Nehammer vor einem EU-Sondergipfel am Montag in Brüssel. Er zeigte sich zuversichtlich, dass es bei dem Treffen mit seinen EU-Kollegen zu einer Lösung kommen wird. Gleichzeitig machte er die EU-Kommission für die hitzige Debatte um das Öl-Embargo verantwortlich.
„Ich bin sehr erstaunt darüber, welchen Weg die EU-Kommission gewählt hat, dieses schwierige Thema für den Rat vorzubereiten“, kritisierte Nehammer die Brüsseler Behörde. Normalerweise verhandle man mit den Gesprächspartnern, bevor man ein Ergebnis verkündet, die EU-Kommission habe diesmal einen anderen Weg gewählt. „Es wird jetzt auf großer Bühne die Diskussion geführt“, so der Bundeskanzler.
Es sei auch ein „wichtiges Thema für Österreich“, betonte Nehammer. Hierzulande bestehe zwar keine große Abhängigkeit von Erdöl, allerdings von Erdgas. Deshalb brauche auch Österreich die Solidarität der Mitgliedstaaten. „Es muss für die Länder möglich sein, die Sanktionen mitzutragen“, sagte der Bundeskanzler.
Er zeigte sich trotz der Differenzen zuversichtlich, dass sich die EU-Chefs beim Sondergipfel auf ein Öl-Embargo werden einigen können. Die Erfahrungen mit EU-Ratstreffen der vergangenen Monate habe ihn „gelehrt, dass eine hohe Lösungsbereitschaft gegeben“ ist. „Ich gehe davon aus, dass es zu einer Lösung kommen wird“, sagte der Kanzler.
Technische Schwierigkeiten bei Öl-Embargo
Nehammer verwies auf die technischen Schwierigkeiten für die Umsetzung eines Öl-Embargos und nannte als konkretes Beispiel etwa den Ausbau von Pipelinekapazitäten zwischen der Adria und Tschechien über Österreich. Dies seien „Nebenaspekte, die im großen Getöse nicht gehört werden“. Sie seien aber wichtig, um zu verhindern, dass die Sanktionen nicht die EU-Staaten selbst mehr treffen als Russland. Die Menschen würden es nämlich nicht akzeptieren, wenn „sich durch Sanktionsbeschlüsse ihr Leben horrend verteuert“, sagte Nehammer mit Blick auf eine drohende „Dieselverknappung“. Seitens der EU-Kommission wäre es „redlich“ gewesen, wenn sie etwa Mengen und Preisentwicklungen darstellen würde, und dann Gespräche führen würde darüber, welche Kompensationen und Lieferungen es bräuchte.
Nehammer kritisierte auch, dass auf EU-Ebene viel über Öl- und Gasembargos diskutiert wird, „aber nicht über ein Uran-Embargo“. Das sei wohl „kein Zufall“, sagte er in Anspielung auf Staaten wie Frankreich, die Uran für ihre Atomkraftwerke benötigen. „Wir müssen in der EU redlich mit den Befindlichkeiten der Mitgliedsstaaten umgehen“, forderte der Kanzler. Insgesamt müsse es bei den Sanktionen eine „gewissenhaftere Vorbereitung“ und auch eine „Abwägung“ geben, „welche Sanktionen so umsetzbar sind, dass sie tatsächlich das Kriegsgeschehen beeinflussen und zu einem Waffenstillstand führen“.
Unterstützung für die EU-Kommission zeigte Nehammer hingegen, was die geplanten „Price caps“ (Preisobergrenzen) beim Strom betrifft. Dies sei nämlich nur in europäischer Abstimmung umsetzbar, wandte sich der Kanzler gegen nationale Alleingänge. Dies gelte zumindest für den stark vernetzten Strommarkt Mitteleuropas. Dagegen hätten Spanien und Portugal bereits auf eine „Halbinsellösung“ mit eigenen
Obergrenzen setzen können.
Nehammer kündigte an, seinen EU-Kollegen auch über die Gespräche mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin berichten zu wollen. „Bei Hardlinern hat man da nicht die Beliebtheitswerte“, räumte der Kanzler ein. Zugleich verteidigte er seine Kontakte zu Putin. „Es braucht Szenarien, es braucht Lösungsmöglichkeiten. Die entstehen nicht, indem man sich gegenseitig anschweigt, indem man von draußen zuschaut und wartet. Jeder Millimeter in Richtung Friedensbewegung ist ein gewonnener“, betonte Nehammer, der in diesem Zusammenhang den Mehrwert Österreichs als neutraler EU-Staat hervorhob.
Keine baldigen Friedensgespräche
Gleichwohl glaubt Nehammer nicht an baldige Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau. Wegen der dramatischen Situation im Donbass sei derzeit „überall sehr viel Sand im Getriebe“. Der dem Gipfel per Video zugeschalteten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj werde wohl „massiv Unterstützung einfordern“, so Nehammer. Ratschläge bezüglich des Kriegsziels wollte er dem ukrainischen Präsidenten nicht erteilen. Diesbezüglich halte er es mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz, der gemeint habe, dass Russland in der Ukraine „nicht gewinnen“ dürfe. Entsprechend sei es auch an den Ukrainern, selbst über einen möglichen Waffenstillstand zu entscheiden. Wer nicht selbst „gerade Söhne im Krieg hat“, dem „verbietet sich, über das Schicksal des Landes an sich zu bestimmen und Szenarien aufzuzeigen“, betonte Nehammer. Wenn die Ukrainer einmal ihre Entscheidung getroffen haben werden, sei es Aufgabe der EU, „sie auf diesem Wege bestmöglich zu unterstützen“.
(OE24)