Angesichts der steigenden Lebenserhaltungskosten gewinnen die immer häufiger verhängten Bezugssperren durch das Arbeitsmarktservice an Brisanz. Die Arbeiterkammer Oberösterreich kritisiert: „Strafen bringen Menschen nicht in Beschäftigung.“
Für AKOÖ-Präsident Andreas Stangl ist eine Reform in der Arbeitsmarktpolitik deshalb längst überfällig:
Arbeitsmarktpolitisch sind diese Sanktionen wirkungslos und vielfach kontraproduktiv. Das AMS braucht mehr Personal für die passgenaue Vermittlung. Die Gruppe der Arbeitssuchenden, die jetzt keine Chance am Arbeitsmarkt bekommt, braucht besonders viel Unterstützung statt Sanktionsdrohungen, weil für diese das Leben schon schwierig genug ist.“
Dass Sanktionsbestimmungen immer rigoroser und leichtfertiger verhängt werden, habe laut Stangl u.a. mit der Sicht auf Arbeitslose zu tun. Diese würden zunehmend als arbeitsunwillige Missbraucher des Sozialsystems abgetan.
Ein AK-Vergleich legt nun nahe, dass Bezugssperren oft nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Die Kammer verglich dafür die Sanktionsintensität in Oberösterreichs Bezirken und hat dabei enorme Unterschiede festgestellt. Alleine durch die Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarktlage ließen sich diese Differenzen nicht erklären.
„Es drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es doch Gestaltungsspielräume gibt“, so Stangl. Damit sei aber nicht Willkür gemeint, sondern die unterschiedlich gelebte Beziehung zwischen Arbeitssuchenden und AMS-Mitarbeitern.
Die AK machte den Vergleich
Deutlich wird das, vergleicht man etwa die Bezirke Kirchdorf und Gmunden. Diese weisen etwa die gleiche Arbeitslosenquote auf, aber in Gmunden werden laut AK dreimal häufiger Bezugssperren wegen Ablehnung einer zugewiesenen offenen Stelle oder einer Schulung verhängt als in Kirchdorf.
Ein weiteres Beispiel: Perg und Steyr weisen eine ähnliche Sanktionsquote auf, die Arbeitslosenquote in Steyr ist aber etwa doppelt so hoch wie in Perg.
Laut AK lasse sich daraus ableiten: „Nur weil mehr gestraft wird, sinkt die Arbeitslosigkeit nicht. Erste Erkenntnisse aus Deutschland zeigen auch, dass das Aussetzen von Sanktionen so gut wie keine Auswirkung auf die Arbeitsmarktperspektiven der Betroffenen hat“, so Stangl.
Bezugssperren verbessern die Qualifikation nicht
„Klar ist, dass sich durch Bezugssperren weder die Qualifikation noch allfällige gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitssuchenden verbessern. Ausreichende Existenzsicherung bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Jobsuche, weil dann dafür Energie und Zeit bleibt, die sonst für den täglichen Existenzkampf draufgehen“, sagt der AK-Präsident.
Außerdem: Wehren sich Betroffene gegen eine Sanktion, so wird jedem Dritten Recht gegeben. Auch das zeige, dass oft zu rasch und zu ungeprüft Existenzgrundlagen gekürzt und gestrichen werden. Die Arbeiterkammer kritisiert dieses System, denn „Bezugssperren bewirken keine niedrigere Arbeitslosenquote, sondern Not“.
Die AK fordert einen respektvolleren Umgang mit den Arbeitssuchenden und die Berücksichtigung ihrer Interessen und Bedürfnisse bei der Jobvermittlung statt Sanktionsdrohungen. Das AMS solle dazu mit mehr Personal ausgestattet und Arbeitslosengeld und Notstandshilfe angehoben werden.
OÖVP-Hiegelsberger kritisiert AK
OÖVP-Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger konterte: „Wenn jemand ohne Grund keiner Arbeit nachgehen will, muss dies auch erheblich spürbar sein. Nur so kann ein gerechtes Zusammenleben in unserem Land funktionieren.“ Leistung und Arbeit müssten sich lohnen.
Daher müsse jemand der arbeiten geht, deutlich mehr bekommen, als jemand, der nicht arbeiten geht, so Hiegelsberger.
AMS-Boss gibt düstere Prognose für 2023
Die Arbeitslosenzahlen in Österreich sind auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Doch das könnte sich schon bald ändern. „Heute“ berichtete.
AMS-Boss Johannes Kopf machen vor allem die vielen unbeschäftigten Ukrainer Kopfzerbrechen. Von den rund 90.000 Ukrainern im Land gehen nur rund 7.000 einer Beschäftigung nach, weitere 8.000 sind beim AMS arbeitslos gemeldet oder in Schulungen.
Kopf rechnet vor: Rund die Hälfte der 90.000 Kriegsflüchtlinge seien Kinder, hinzu kommen Schwangere, Ältere und traumatisierte Personen. Aber selbst wenn man das abzieht, vermutet Kopf um die 40.000 Ukrainer, die – theoretisch – einer Beschäftigung nachgehen könnten.
(Heute.at/Foto: gettyimages)