Bis zu zwei Milliarden für Wien Energie

Seit Wochenbeginn haben Bund, Stadt Wien und die Wien Energie über finanzielle Unterstützung für das Energieunternehmen verhandelt. Nun kamen sie zu einer Einigung. Der Bund wird der Wien Energie eine Kreditlinie von zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen, wie die Bundesregierung Mittwochvormittag bei einer Pressekonferenz mitteilte.

„Ich darf Sie darüber informieren, dass heute der Darlehensvertrag zwischen dem Land Wien und dem Bund unterzeichnet worden ist“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Die Hilfsleistungen seien aber nicht „ohne Bedingungen“. Die Wien Energie werde über das Land Wien Auflagen bekommen.

„Wir stellen als Bund der Stadt Wien eine Kreditlinie über zwei Milliarden Euro zur Verfügung“, sagte im Anschluss Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Das Darlehen über die Oesterreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) sei kurzfristig abrufbar. Binnen zweier Stunden könne Wien darauf zugreifen. Laufen soll die Kreditlinie bis April 2023.

Vertreter des Bundes in Aufsichtsrat

Laut Brunner geht mit dem Darlehen eine Berichtspflicht einher. Noch seien „einige unserer Fragen an die Wien Energie offengeblieben“. Der Finanzminister kündigte an, dass der Bund – für die Dauer der Laufzeit der Kreditlinie – eine Person in das Aufsichtsgremium entsenden werde. Wer das sein werde, müsse aber erst geklärt werden, so Brunner auf Nachfrage.

Sollte das Darlehen in Anspruch genommen werden, habe die Stadt Wien bis April des kommenden Jahres Zeit, dieses zurückzuzahlen, sagte Brunner. Sollte ein weiterer Finanzbedarf bestehen, werde man das auf Grundlage weiterer Informationen prüfen, hieß es vom Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn.

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte einmal mehr, dass andere Energieversorger derzeit keine Liquiditätsprobleme hätten. Die E-Control arbeite aber daran, ein besseres Bild der Lage zur erhalten. Allerdings habe die Behörde derzeit kein Recht, Einsicht in die Geschäftsgebarungen der Energieanbieter zu nehmen. Laut der Energieministerin könnte die E-Control in Zukunft aber mehr Kompetenzen bekommen. Zur Strompreisbremse kündigte Gewessler eine Präsentation „in den nächsten Tagen“ an.

Wien Energie legt Geschäfte von 2020 an offen

Von der Stadt Wien war bei der Pressekonferenz niemand dabei. Er sei nicht eingeladen gewesen, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf Nachfrage bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Vonseiten der Bundesregierung hieß es dazu gegenüber der APA, etwa eine Stunde vor Beginn der heutigen Pressekonferenz sei eine Information und Einladung an Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) ergangen.

Der Finanzstadtrat meldete sich noch während der Pressekonferenz der Regierung per Aussendung. Auf Wunsch der Stadt Wien sei in dem Darlehensvertrag vereinbart worden, dass alle Handelsgeschäfte der Wien Energie von Anfang 2020 bis jetzt offengelegt werden, hieß es darin. Bis Mitte September würden die entsprechenden Unterlagen übergeben werden. „Wir legen die Karten auf den Tisch, um hier Klarheit zu schaffen, und appellieren an alle hier, an der Sache orientiert zu agieren“, so Hanke.

Die Frage, wer tatsächlich was eingefordert bzw. gewünscht hatte, gab am Mittwoch freilich noch einmal Anlass für politische Sticheleien. Der Pressesprecher des Finanzministers schrieb zu Mittag auf Twitter, dass die Offenlegung der Geschäfte „eine Bedingung des Bundes als Kreditgeber gegenüber der Stadt Wien als Kreditnehmerin“ gewesen sei. „Generell wäre so eine Offenlegung sinnvoll und jederzeit möglich, es besteht keine Notwendigkeit, zu diesem Zweck einen Kreditvertrag mit dem Bund einzugehen“, so der Sprecher.

Erneut Ruf nach österreichweitem Schutzschirm

Hanke erklärte in der Aussendung erneut, dass die per Darlehen zugesicherten Gelder als Sicherheit dienten, um weitere extreme Ausreißer an der Strombörse abdecken zu können. Derzeit sehe es aber nicht so aus, als ob das Abrufen der Mittel überhaupt nötig werde. Gegenüber der APA sagte der Finanzlandesrat, dass am Montag 1,75 Milliarden an Sicherheitszahlungen nötig gewesen wären. Bereits am Dienstag habe man aufgrund fallender Strompreise aber schon wieder 800 Mio. und am Mittwoch noch einmal 530 Mio. Euro zurückerhalten.

Der Wiener Finanzlandesrat appellierte einmal mehr für einen „österreichweiten Schutzschirm für alle heimischen Energieversorger seitens der Bundesregierung“. Vom Finanzminister hieß es im Rahmen der Pressekonferenz freilich erneut, dass die Regierung derzeit keinen Bedarf an einem solchen Instrument sehe. Aber „wir verschließen uns insgesamt natürlich nicht der Diskussion über einen allgemeinen Schutzschirm“, so Brunner.

Hankes Parteifreund SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried kritisierte nach der Pressekonferenz, dass der Finanzminister „aus parteipolitischen Gründen“ einem österreichischen Energieversorger Spekulation vorwerfe. „Und er sagt nicht die Wahrheit, wenn er behauptet, ein Schutzschirm wie in Deutschland würde in diesem Fall nicht greifen.“

Kritik an Kommunikationspolitik

Von NEOS, mit der SPÖ in Wien immerhin in einer Regierung, kamen am Mittwoch freilich erneut kritische Stimmen in Richtung der Sozialdemokraten. Das Krisenmanagement, die Kommunikation und Intransparenz der Partei seien „absolut inakzeptabel“, kritisierte NEOS-Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger. Das Vertrauen innerhalb der Stadtkoalition sei dadurch „nicht gestärkt“ worden. Sie sehe auch nicht ein, dass die Steuerzahler dafür aufkommen sollen. Meinl-Reisinger wunderte sich zudem über den (fehlenden) Informationsaustausch zwischen Bund und Stadt.

Zu einem Rundumschlag sowohl gegen die Bundesregierung als auch die SPÖ holte am Mittwoch FPÖ-Vorsitzender Herbert Kickl aus. Es liege der Verdacht nahe, dass „die schwarz-grüne Bundesregierung gemeinsam mit der rot-pinken Wiener Stadtregierung diese Katastrophe unter der Decke halten wollte, bis es schließlich nicht mehr anders ging. Jetzt sollen die Bürger doppelt draufzahlen – einmal mit teuren Energiepreisen und noch einmal mit Steuergeld zur Abdeckung von Spekulationsverlusten“, so Kickl in einer Aussendung.

FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker hatte bereits zuvor die Werbeausgaben der Wien Energie kritisiert, die in Summe fast 5,2 Mio. Euro in nicht einmal eineinhalb Jahren betragen hätten. „Welchen Informationsbedarf im Millionenbereich ein stadteigenes Energieunternehmen hat, dessen Aufgabe die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas und Fernwärme darstellt, ist mehr als fragwürdig.“

(ORF.at/Agenturen/Foto: LEONHARD FOEGER / REUTERS)

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