Teuerung bringt mehr Kinderarmut

Die Teuerung hat im Mai mit 7,7 Prozent wieder einen Rekord erreicht. Die Regierung will die Folgen mit 28 Mrd. Euro abfedern. Doch nicht immer kommt das Geld dort an, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Volkshilfe und Caritas warnen vor steigender Kinderarmut.

„Man schaut, dass man irgendwo Schnäppchen bekommt“, so ein Kunde im Volkshilfe-Shop. Der ist eine Art Seismograph für Entwicklungen in gesellschaftlichen Schichten, die es auch sonst nicht leicht haben. Das Entlastungspaket der Bundesregierung wird trotzdem kritisiert: „Bis das kommt, ich brauche es jetzt, nicht erst in drei Monaten“, schilderte eine Frau das reale Leben. Dieser Kritik schließt sich die Volkshilfe durchaus an. Besonders bei Kindern habe sich die Situation zuletzt verschärft.

Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger nannte als Beispiel eine Mutter, die in einem Brief geschrieben habe, „sie habe immer karg gelebt und nicht sehr viel verdient, aber sie hat es immer allein geschafft. Aber jetzt muss sie den Brief schreiben, sie braucht Unterstützung und sie geniert sich dafür.“ Fenninger sieht den einzig richtigen Ausweg in der Einführung einer Art Kindergrundsicherung in Österreich. Das würde laut Berechnungen nur einen Bruchteil des Entlastungspakets kosten. Deshalb habe die Volkshilfe auch eine Petition gestartet.

„Steuergeld für die, die Teuerung nicht stemmen“

Das Entlastungspaket würde Armutsbetroffene und Geringverdiener nur zu einem kleinen Teil tatsächlich entlasten. Die Volkshilfe würden so viele Unterstützungsansuchen erreichen wie noch nie zuvor, so Fenninger: „Durch die Teuerung sehen wir, dass momentan 22 Prozent der Kinder schon betroffen sind und das in einem der reichsten Länder der Welt. Deshalb appelliere ich an die Bundesregierung, verwenden wir die Mittel von uns Steuerzahlen für jene Menschen, die einfach die Teuerung nicht stemmen können.“

Erstmals Aufnahmestopp bei Caritas

Was die Volkshilfe beschreibt, decke sich auch mit den Wahrnehmungen der Caritas, sagte deren Präsident Michael Landau in „Wien heute“: „Wir haben etwa in der Sozialberatung in Wien einen Zuwachs von etwa 30 Prozent im Vergleich des ersten Quartals zum Vorjahr.“ In der Realität zeige sich das durch immer länger werdende Schlangen vor den Suppenbussen und Lebensmittelausgaben. Laut Landau wurden im Vorjahr pro Woche im Schnitt 17 Tonnen Lebensmittel ausgegeben, jetzt sind es 24 Tonnen.

Die Caritas habe sogar erstmals in ihrer Geschichte einen Aufnahmestopp verhängen müssen. Man sei bis an die Grenzen gefordert, sagte Landau: „Und wir sehen, das betrifft sehr oft Kinder, sehr oft Mindestpensionisten und -pensionistinnen.“ Viele würden sich genieren, plötzlich auf Hilfe angewiesen zu sein. Viele sagen, sie hätten nie in ihrem Leben gedacht, einmal auf die Hilfe der Caritas oder der Volkshilfe angewiesen zu sein.

„Sozialhilfe nicht an Realität orientiert“

Landau glaubt, dass der Bundesregierung mit den Einmalzahlungen durchaus einiges gelungen ist. Entscheidend sei, dass diese rasch kommen. Gleichzeitig müsse die Regierung aber darauf achten, „reicht das bis zum Herbst? Reicht das über den Herbst hinaus? Hier bin ich im Moment skeptisch“. Und er nannte auch noch einen zweiten, wesentlichen Punkt: „Gelingt es hier auch, strukturelle Änderungen vorzunehmen?“, so Landau, diese seien grundsätzlich nötig und wichtig, die könnten jetzt geplant und aufgesetzt werden.

Man müsse die nächste Zeit nützen, damit die Dinge weitergehen. Die Situation sei für die Menschen dramatisch schwierig. Es gebe eine Rekordinflation. Hier müsse rasche, wirksame Hilfe geleistet werden. Landau: „Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, dass Kinderarmut reduziert wird. Zurzeit steigt sie an. Ich bin überzeugt, damit dürfen wir uns nicht abfinden. Das können wir ändern, wenn wir es ändern wollen.“

(ORF)

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