Aus „Patientenmilliarde“ wurden 215 Millionen Mehrkosten

Der Rechnungshof rechnet mit der Sozialversicherungsreform der ÖVP-FPÖ-Koalition hart ab. Ein war eines der am heftigsten umkämpften Vorhaben der türkis-blauen Bundesregierung, seit Anfang 2020 ist es umgesetzt: die Fusion von 21 auf fünf Sozialversicherungsträger und weitere Neuerungen in der Sozialversicherung.

Jetzt bestätigt der Rechnungshof in einem Rohbericht, was sich schon vor dem Beschluss Ende 2018 abgezeichnet hat: keine Spur von der durch Einsparungen erhofften zusätzlichen Milliarde Euro für das Gesundheitswesen, statt dessen sind durch den Umbau Zusatzkosten von immerhin 215 Millionen Euro angefallen. Diese Zahl nennt der Rechnungshof im aktuellen Rohbericht, über den das „profil“ zuerst berichtet hat und der der „Wiener Zeitung“ vorliegt.

Kritiker werden sich damit bestätigt fühlen und sehen ihre Vorbehalte durch den gut 150 Seiten starken Bericht des Kontrollorgans nun bestätigt. Die Prüfer haben demnach die Entwicklung des Verwaltungsaufwandes von 2018 bis 2021 und die Prognosen für 2023 gegenübergestellt: „Dabei ergab sich anstelle der Einsparung von einer Milliarde Euro ein Mehraufwand von 214,95 Millionen Euro“, stellte der Rechnungshof fest.
Zusammenlegung zur ÖGK

Die Sozialversicherungsreform brachte ab 2020 vor allem die Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkasse zur jetzigen Österreichischen Gesundheitskasse. Das wurde von der SPÖ, Gewerkschafts- und Arbeiterkammervertretern besonders vehement abgelehnt, weil damit gleichzeitig die Vormacht der Arbeitnehmervertreter in der Krankenkasse, die für die unselbstständig Beschäftigten verantwortlich und zuständig ist, ausgehebelt wurde und die Dienstgeber mit das Sagen haben.

Verwundert sind Experten nicht, dass sich die von ÖVP und FPÖ groß angekündigte Patientenmilliarde in Luft aufgelöst hat. So tauchte mitten in der Debatte in Österreichs größter Tageszeitung unter anderem ein Bericht auf, wonach die „Bonzen“ in der Sozialversicherung rund 160 Dienstfahrzeuge hätten, wobei allerdings offensichtlich aufgrund von Informationen der damaligen türkis-blauen Regierung nicht nur die Dienstkarossen der Sozialversicherungschefs, sondern auch Fahrzeuge zum Krankentransport eingerechnet wurden. Politisch verantwortlich für die Reform waren federführend Sozialministerin Beate Hartinger-Klein und der damalige und jetzige ÖVP-Klubobmann August Wöginger.

Dubiose Beratungsleistungen

Ein dubioses Bild zeichnet der Rechnungshof speziell was die externen Beratungsleistungen betrifft. Denn im Auswahlverfahren für die Beratungsunternehmen gab es „nur einen im Verfahren zugelassenen Bewerber“, stellten die Prüfer fest. Die inhaltlichen Gespräche zum Auswahlverfahren führte das Kabinett der seinerzeitigen Ressortchefin, ohne die zuständige Fachsektion einzubeziehen, wie aus dem Rohbericht hervorgeht. Die im Sozialministerium noch verfügbaren Akten haben außerdem das Auswahlverfahren nicht vollständig dokumentiert.

Vollständige Leistungsharmonisierung offen

Ein Hauptziel der Sozialversicherungsfusion war eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Leistungen für Versicherte, die sogenannte Leistungsharmonisierung. Eine Vereinheitlichung der Satzungen und Krankenordnungen der Sozialversicherungsträger war zwar bereits erfolgt, eine vollständige Leistungsharmonisierung war noch ausständig, wie der Rechnungshof anmerkt. So war vor allem ein bundeseinheitlicher Gesamtvertrag für die Leistungen der Ärztekammer in der Gesundheitskasse „nicht absehbar“.

Personal wurde ebenfalls durch die Fusion nicht eingespart. Im Gegenteil: laut Prüfung des Rechnungshofes stieg die Zahl der Mitarbeiter in den von der Fusion betroffenen Sozialversicherungsträgern sogar von 16.087 im Jahr 2018 geringfügig auf 16.189 im ersten Jahr der Zusammenlegung, das war 2020. Auch die Führungsstruktur wurde laut Prüfbericht nur geringfügig um 7,5 Prozent verschlankt.

(WienerZeitung.at)

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