Die Ausbreitung des Coronavirus hat das kulturelle Leben hierzulande zum Erliegen gebracht. Wann Konzerte und Festivals wieder stattfinden können und unter welchen Bedingungen, ist im Moment völlig unklar. Die wirtschaftlichen Folgen des Stillstands sind beträchtlich.
Betrachte man die gesamte Wertschöpfung des Livemusiksektors in Österreich, dann habe der dreimonatige „Shut-down“ bisher einen Schaden von einer halben Milliarde Euro angerichtet, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Peter Tschmuck, der in Wien an der Universität für Musik und darstellende Kunst zum Musikmarkt forscht, gegenüber ORF.at. „Auf ein halbes Jahr hochgerechnet wäre das eine Milliarde Euro“, so Tschmuck.
Auf und abseits der Bühne
Wie hoch die Wertschöpfung des Musikveranstaltungssektors in Österreich ist, wurde zuletzt vor zehn Jahren erhoben. Die damals vom Institut für Höhere Studien (IHS) durchgeführte Untersuchung bilde die Grundlage seiner „sehr, sehr groben“ Berechnung zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des „Shut-down“, so Tschmuck.
Die Wertschöpfung eines Konzerts generiert sich auf und abseits der Bühne. „Wir haben die direkte Wertschöpfung – alles, was durch die Veranstalter selbst, die Kunstschaffenden und Interpretinnen und Interpreten erwirtschaftet wird“, erläuterte Tschmuck. In den Bereich der „indirekten“ Wertschöpfung fallen die Einnahmen und Umsätze aus Beleuchtung, Ton- und Bühnentechnik, Tourgastromomie – „alles, was man braucht, um ein Konzert zu ermöglichen“. Weiters zu berücksichtigen seien die „induzierten Effekte“, etwa die Ausgaben einer Festivalbesucherin für ein Hotelzimmer oder eine Taxifahrt.
Existenzbedrohende Krise
Für die Musikerinnen und Musiker ist die derzeitige Situation existenzbedrohend. Seit Mitte März haben sie wenig bis kein Einkommen. Am Mittwoch wandte sich die freie österreichische Musikszene in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Darin wird unter anderem die Forderung nach einer „unbürokratische Soforthilfe“ in Form eines monatlichen Einkommens von 1.000 Euro bis zum Jahresende erhoben.
Während der Ausgangsbeschränkungen haben viele Musikerinnen und Musiker Konzerte in den eigenen vier Wänden gegeben und ihre Fans daran via Livestream teilhaben lassen. Die freie Musikszene verlangt in ihrem offenen Brief, dass Musikschaffende für solche „Onlineaufführungen“ künftig um Förderungen ansuchen können. Ebenfalls gefordert wird eine „erhöhte Anzahl von geförderten Auftritten im Rundfunk (Radio und Fernsehen) und auf digitalen Plattformen“. Freiluftkonzerte könnten mit einem Livestream kombiniert werden.
Die Musikwirtschaft sei ein „extrem komplexes Spielfeld“ und habe unterschiedliche Bedürfnisse, sagte der Musikmanager Hannes Tschürtz am Dienstag zu Ö1. Gemeinsam hätten viele Künstlerinnen und Künstler aber, dass sie schon vor der Krise „von der Hand in den Mund“ gelebt hätten. Die bestehenden Regeln des Härtefallfonds seien für die Musikindustrie nicht anwendbar, so Tschürtz – Audio dazu in oe1.ORF.at. Auf Facebook präzisierte er seine Forderungen: So sollte man Kunstschaffenden Ausfälle ausgleichen, ihre Infrastruktur, etwa Veranstaltungslokale, stützen und „Modelle für Investitionskapital schaffen, wie man es etwa aus der Start-up-Welt kennt“.
Wirtschaftswissenschaftler Tschmuck schlägt „differenzierte Förderinstrumente“ vor. Musikerinnen und Musiker brauchten „Unterstützung für ausgefallene Honorare. Und letztlich sogar für die Lebensführung.“ Ebenfalls Hilfe benötigten die zahlreichen kleinen und mittleren Ausrichter von Konzerten, darunter die vielen gemeinnützigen Kulturvereine, die aus den derzeitigen Förderprogrammen hinausfallen. Hier müsse man unterscheiden „zwischen dem Veranstaltungsbereich, der staatlich gefördert wird, und den Bereichen, die sehr stark vom Markt abhängig waren. Letztere brauchen sehr rasch und massiv Unterstützung.“
(orf.at)