Ganz generell versucht man die Verbreitung des Coronavirus mit zwei unterschiedlichen Tests zu erfassen. Sämtliche Infektionsstatistiken fußen auf den PCR-Tests. Dafür werden Abstriche aus dem Nasen- bzw. Rachenraum molekularbiologisch analysiert.
Wird Erbgut des Virus nachgewiesen, ist der Test positiv. Allerdings erkennt der PCR-Test nur aktuelle Infektionen und ist damit auch nur eine Momentaufnahme. Der Test kann nicht feststellen, ob jemand bereits erkrankt war. Und selbst in der Inkubationszeit kurz nach der Infektion kann der Test noch fälschlicherweise negativ ausfallen – mehr dazu in science.ORF.at.
Bisher recht ungenau
Die Antikörpertests messen hingegen die Immunantwort des Körpers auf die Virusinfektion im Blut, damit können auch zurückliegende Erkrankungen festgestellt werden. Die Tests sind auf zwei unterschiedlichen Ebenen relevant. In Querschnittstudien kann untersucht werden, wie groß die Immunität in einer Population bereits ist. Und auf individueller Ebene kann man bestimmen, ob eine Person bereits immun ist – und das kann Folgen haben: In einigen Ländern wurde schon angedacht, ob es etwa Reiseerlaubnisse für Immune geben könnte. Unklar ist allerdings noch, ob die Immunität permanent ist oder ob man nach einer längeren Zeit wieder an Covid-19 erkranken kann.
Allerdings: Bisher waren die Antikörpertests höchst ungenau. Die ersten – scharf kritisierten – Querschnittstudien zur Immunität in einzelnen Regionen lieferten eine große Schwankungsbreite bei den Ergebnissen. Für individuelle Tests waren sie praktisch unbrauchbar. In einigen Ländern wurden Antikörperschnelltest vor allem deswegen durchgeführt, um die Qualität der Tests zu ermitteln.
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Neutralisationstest nur im Speziallabor
Die Antikörpertests hätten vor allem falsche positive Ergebnisse verursacht, sagte die Virologin Judith Aberle von der Medizin Uni Wien am Montag in der ZIB2. Und das führe „dann zu einer Überschätzung der Seroprävalenz“, man überschätze also die Zahl der Infektionen. Neben dem Schnelltest gibt es den Neutralisationstest, wie Aberle erläutert. Dieser Test sei auch bei der am Montag präsentierten Untersuchung der Statistik Austria zur Anwendung gekommen. Der Test sei aber „Speziallabors vorbehalten, weil man hier unter höheren Sicherheitsbedingungen arbeiten muss“.
Sensitivität und Spezifität als Kriterien
Redlberger-Fritz verwies bei einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag auf zwei Einsatzgebiete dieser Neutralisationstest: Zum einen ließe sich für Einzelpersonen jedenfalls mit großer Sicherheit beantworten, ob sie die Infektion durchgemacht hätten. Und zum anderen könne er als Referenztest für Schnelltests herangezogen werden.
Auch sie verwies darauf, dass die bisherigen Antikörpertests wenig Aussagekraft hatten, sowohl Sensitivität als auch die Spezifität sei ungenügend gewesen. Die Sensitivität gibt den Prozentsatz an, wie viele tatsächlich Erkrankte vom Test auch als erkrankt erkannt werden. Und die Spezifität bemisst den Wert, mit dem Gesunde als gesund getestet werden.
Anschober: Teststrategie wird erweitert
Anschober sagte, man sei gerade dabei, die Teststrategie auf die jetzige Phase zwei noch präziser abzustimmen. Die Teststrategie werde erweitert und ein präziser Testplan für die nächsten Monate im Detail erarbeitet. Geplant sind breit angelegte Screenings: Bei bestimmten Bevölkerungsgruppen will man – auf freiwilliger Basis – Tests durchzuführen, „damit wir breiteres Wissen erhalten“. Und neben den PCR-Tests seien die Antikörpertests eine wichtige, zweite Ergänzung, so Anschober.
Roche liefert neuen Test aus
Der Schweizer Pharma- und Diagnostikkonzern Roche erhielt mittlerweile in den USA eine Notfallzulassung für einen SARS-CoV-2-Antikörpertest vor allem für Großlabors. Die Auslieferung erfolgt derzeit auch in Österreich. Die ersten Untersuchungen dürften in den kommenden Tagen erfolgen, erklärte am Dienstag ein Sprecher des Konzerns. Der Test soll eine sehr hohe Genauigkeit aufweisen: Auf der Basis von 5.272 Proben hätte sich laut Hersteller eine Sensitivität von 100 Prozent ergeben, es gebe also keine falschen negativen Ergebnisse. Die Spezifität liegt demnach bei 99,81 Prozent.
Auch Verbreitung spielt große Rolle
Der Public-Health-Experte Martin Sprenger verwies im ORF.at Interview auf einen weiteren entscheidenden Parameter bei den Tests: Die diagnostische Aussagekraft hängt stark von der Prävalenz, also der Verbreitung des getesteten Merkmals, in der Population ab. Je seltener das Merkmal auftritt, desto weniger valide ist der Test. Und eine solche geringe Vortestwahrscheinlichkeit hat falsch positiv Getestete als Resultat, es erscheinen also mehr Menschen erkrankt, als es tatsächlich sind.
Als Rechenbeispiel: Mit einem sehr genauen, fast schon perfekten Test werden 1.001 Menschen untersucht. Der Test hat eine Sensitivität von 99,9 Prozent und auch eine Spezifität von 99,9 Prozent, er erkennt zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit die Kranken als krank und die Gesunden als gesund. Für das Rechenbeispiel weiß man auch die Prävalenz: Genau eine Person der 1.001 ist erkrankt. Nun wird der Test die kranke Person zu 99,9 Prozent also ziemlich sicher als krank erkennen. Allerdings: Rein statistisch wird wohl auch eine der verbliebenen gesunden Personen aufgrund der Fehlerwahrscheinlichkeit als krank getestet. Das heißt: Der eigentlich genaue Test weist zwei Krankheitsfälle auf, bei denen allerdings nur einer wirklich krank ist. Und außerdem: Ohne weiteren Test besteht die Wahrscheinlichkeit, die wirklich erkrankte Person zu identifizieren, nur bei 50 Prozent.
ckör, ORF.at