In der Studie – einer Online-Befragung „mit einer für Österreich repräsentativen Stichprobe von 1.009 Menschen“ – wurden die Auswirkungen der Ausgangsbeschränkungen auf die psychische Gesundheit vier Wochen nach Beginn der Quarantäne untersucht. Die Häufigkeit depressiver Symptome hat sich demnach in Österreich vervielfacht, konkret von etwa vier Prozent auf mehr als 20 Prozent.
Eine ähnlich starke Zunahme zeigt sich bei Angstsymptomen, die sich von fünf auf 19 Prozent erhöhten. Zudem leiden aktuell rund 16 Prozent der Befragten unter einer Schlafstörung.
„Ergebnisse sind alarmierend“
„Diese Ergebnisse sind alarmierend“, sagte Studienautor Christoph Pieh, Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems. „Besonders belastend ist die aktuelle Situation für Erwachsene unter 35 Jahren, Frauen, Singles und Menschen ohne Arbeit, während Menschen über 65 Jahre deutlich weniger belastet sind.“
Der Bundesländervergleich zeigt, dass Kärnten am besten abgeschnitten hat. Das lässt laut Studienautor Pieh den Rückschluss zu, dass auch der Wohnort eine Rolle spielt. Niederösterreich liegt im guten Mittelfeld in Bezug auf Depressivität und Lebensqualität, nämlich knapp über dem österreichischen Durchschnitt.
Wie geht es einem Land in dieser Krise, das besonders hart getroffen wurde? In Großbritannien sind aufgrund der Pandemie etwa 27.000 Todesfälle zu verzeichnen. Es zeigt sich anhand dieser Studie, dass die Bevölkerung auch psychisch schwer belastet ist. Insgesamt leiden 40 Prozent unter einer depressiven Symptomatik.
Großbritannien dreimal schwerer betroffen
Betrachtet man nur die Fälle mit schwerer Ausprägung, wird die Diskrepanz noch größer: Während in Österreich acht Prozent unter einer schweren depressiven Symptomatik leiden, sind es in Großbritannien sogar 25 Prozent. Dieser Unterschied zu Großbritannien zeigt sich der Studie zufolge auch in allen weiteren Skalen, wie Lebensqualität, Wohlbefinden, Angstsymptome oder Schlafstörungen. Damit ist Großbritannien etwa dreimal schwerer betroffen als Österreich.
„Es ist nun wichtig, dass rasch psychische Hilfsangebote gesetzt werden“, forderte Pieh. „Gerade in Hinblick auf die besonders belasteten Personengruppen bedarf es weitere, kurzfristig verfügbare und speziell auf die aktuelle Situation angepasste Maßnahmen, wie Kriseninterventionen, Kurzzeittherapien oder Psychotherapie per Telefon oder Internet.“
Wie sich die Situation entwickelt, ist derzeit nicht abschätzbar. In zwei Monaten erfolgt daher eine nochmalige Untersuchung. Dann wird sich zeigen, ob der Effekt trotz Lockerung der Ausgangsbeschränkungen anhält oder sich wieder normalisiert.
Auch Online-Angebot der Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung untersucht auch die Crowdsourcing-Initiative „Reden Sie mit!“ der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Personen ab 18 Jahren können auf der Online-Plattform corona.lbg.ac.at ihre Erfahrungen teilen. Aus den Ergebnissen sollen Handlungsempfehlungen für die Politik sowie neue Fragestellungen für die Forschung abgeleitet werden.
„Wir gehen davon aus, dass die Corona-Krise einen ungeahnten Einfluss auf die Psyche der Menschen hat, vor allem auch bei Personengruppen, die bis dato nicht gefährdet waren, psychisch zu erkranken“, wurde am Dienstag Claudia Lingner, Initiatorin der Initiative und Geschäftsführerin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, in einer Aussendung zitiert.
Auf der Online-Plattform können Bürgerinnen und Bürger demnach Beobachtungen über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die psychische Gesundheit bei sich selbst und bei anderen einbringen. Beiträge sind bis 28. Juni in den thematischen Schwerpunkten „Bildung und Lernen“, „Arbeit und Beruf“ sowie „Soziale Isolation und Vereinsamung“ möglich.
Eva Steinkellner, noe.ORF.at/Agenturen