Ängste, Sorgen, Isolation – die aktuelle Coronavirus-Pandemie und die damit einhergehende häusliche Isolation stellt alle vor völlig neue Herausforderungen. Deshalb hat der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) ein Informationsblatt erstellt, das Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Bewältigung dieser gänzlich neuen Situation beinhaltet. Auch die Hotline des Verbands wurde ausgeweitet.
Schon seit mehr als 20 Jahren gibt es die Help-Hotline des BÖP. Menschen, die in einer akuten Belastungssituation sind und jemanden zum Reden brauchen, können dort anrufen. Auch wenn nach einem Psychologen gesucht wird, steht der Verband zur Verfügung.
Zurzeit gehe es bei den Anrufern aber ausschließlich um Corona-Sorgen. Die Kapazität der Hotline wurde daher erweitert, von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr sind die Psychologen unter der Nummer 01/5048000 erreichbar. Zusätzlich zu diesem Angebot hat der BÖP ein Informations- bzw. Hilfsblatt für die Bevölkerung erstellt, das mit klaren, wissenschaftlich fundierten und bewährten Verhaltensmaßnahmen und mentalen Strategien weiterhilft.
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„Struktur hilft gegen Chaos“
Am wichtigsten ist, zu allererst eine Tagesstruktur beizubehalten. Denn: Struktur hilft gegen Chaos, gibt Sicherheit und stärkt in Stresssituationen. Die Tagesstruktur soll also nach Empfehlungen der Psychologen an die aktuelle Situation angepasst und so gut wie möglich beibehalten werden.
Außerdem wird von den Fachleuten ein bewusster und gezielter Medienkonsum empfohlen. Seriöse und klare Informationen geben zwar Orientierung und Sicherheit, jedoch wird zu Ausgewogenheit geraten. Eine ständig einströmende Nachrichtenflut ist belastend und sollte vermieden werden. Informieren sollte man sich nur mit Maß und Ziel. Wissenschaftlich längst nachgewiesen sei, dass sich Bewegung positiv auf die Psyche auswirkt. In der heutigen Zeit gibt es jede Menge Videos zu Fitnessprogrammen und Turnübungen, an denen man sich Workouts zu Hause orientieren kann. Sport ist also auch in den eigenen vier Wänden möglich.
Von Panikmachern fernhalten
Eine unzweckmäßige Strategie im Umgang mit Stress- und Angstsituationen sei das Grübeln. Die Psychologen empfehlen daher, sich schon im Vorhinein Tätigkeiten zu überlegen, auf die man zurückgreifen kann, sollte man in eine melancholische Abwärtsspirale geraten. Die einen backen, die anderen lesen, wieder andere summen ein heiteres Lied. Von Panikmachern sollte man sich natürlich fernhalten. Sich lieber auf das Positive konzentrieren. Und man könne jetzt schon planen, was man nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen unternehmen möchte – denn irgendwann werde die Covid-19-Krise unweigerlich vorübergehen.
„Das ist die Zeit der Jungen“
Ein großer Vorteil der jüngeren Generation gerade jetzt sei das Smartphone. Videotelefonieren, telefonieren, Gruppenchats ermöglichen weiterhin soziale Kontakte. „Das ist die Zeit der Jungen. Die können joggen, miteinander skypen. Die Sorge vor depressiven Verstimmungen sehe ich vor allem bei den Älteren“, sagt der Chefarzt der Wiener Psychosozialen Dienste (PSD), Georg Psota.
Der PSD sei eigentlich für psychisch kranke Menschen zuständig und nicht für jene, die gerade Angst vor dem Coronavirus haben. Deshalb werden Hotlines wie die des BÖP von Psota begrüßt: „Wir wollen, so gut es geht, in unserem Sujet bleiben, sonst kommen wir bei unserer eigentlichen Zielgruppe nicht mehr nach.“ Derzeit seien Personen mit psychischen Erkrankungen noch mehr Stress ausgesetzt. Beim Wiener PSD mache man aber gute Erfahrungen. „Viele Kontakte laufen jetzt telefonisch ab. Die von uns betreuten Patienten zeigen sich robust. Beruhigende Anrufe und ein Motivationsappell wirken“, so der Experte.
Viele ältere Personen haben dagegen keinen Zugang zum Internet. Sie wenden sich daher an den BÖP, weil sie Angst vor der Isolation haben und aufbauende Worte brauchen. Der Großteil der Anrufer beim BÖP ist zwischen 45 und 65 Jahren. Bei dieser Altersgruppe fallen verschiedenste Sorgen und Probleme an. Zum einen die Pflege von Angehörigen: Der Ausfall von 24-Stunden-Hilfen macht es oft nicht leicht für Familienmitglieder. Sie brauchen in solchen Zeiten ebenfalls ein offenes Ohr von einer außenstehenden Person. Zum anderen verfallen manche in eine Depression während der Isolation oder laufen Gefahr, in eine zu schlittern. Angst vor depressiven Rückfällen und der Umgang mit einer Unterbrechung der therapeutischen Versorgung stehen dabei ganz oben an der Agenda.
Kinder durch Lob positiv stärken
Eltern werden zurzeit vor eine besondere Herausforderung gestellt: Schule, Arbeit und Haushalt konzentrieren sich plötzlich an einem Ort. Die Psychologen empfehlen daher, die gewohnte Tagesstruktur beizubehalten, klare Lern- und Freizeiten einzuplanen, den Kindern körperliche Betätigung zu ermöglichen und Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen. Außerdem wird von Strafen in der jetzigen Situation abgeraten. Man soll vielmehr versuchen, die Kinder durch Lob positiv zu stärken und zum erwünschten Verhalten zu motivieren. Noch bevor die Situation eskalieren kann, sollen Störfaktoren bereits im Vorhinein angesprochen werden. Ein täglicher „Familienkrisenstab“ könne dabei helfen.
Nicht nur über Corona reden
Auch auf ein gesundheitsorientiertes Handeln sollte nicht vergessen werden, nur weil sich derzeit das öffentliche und private Leben in Österreich anders als sonst gestaltet. „Dazu gehören Ernährung mit regelmäßigen Mahlzeiten, genug Trinkmenge und Begrenzung eines etwaigen Alkoholkonsums“, erklärt Georg Psota.
Und vielleicht am allerwichtigsten ist: den Kontakt mit Menschen, die einem wichtig sind, aufrechtzuerhalten. Dabei zu versuchen, nicht ausschließlich über Corona zu reden, sondern sich gegenseitig über positive Inhalte auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten für die Zeit nach der Quarantäne zu planen. Wenn aber doch einmal alle Stricke reißen, stehe die „Help-Hotline“ des BÖP zur Verfügung. Ob noch weitere Hotlines folgen werden? „Ein entsprechender Diskussionsprozess läuft“, heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium. Infos unter www.boep.or.at
(wienerzeitung.at)