Wien-Marathon: Startgeld darf nicht verfallen

Der Vienna City Marathon hat abgesagt werden müssen. Die Läuferinnen und Läufer haben ihr Startgeld aber bereits im Vorfeld bezahlt.

Am 19. April hätte der Vienna City Marathon stattfinden sollen, die größte Laufveranstaltung Österreichs. 45.000 Teilnehmer aus 130 Ländern und Hunderttausende Zuschauer wurden in Wien erwartet. Wegen des Coronavirus musste die Veranstaltung abgesagt werden. Viele Läuferinnen und Läufer hatten da bereits ihr Startgeld, die Chipmiete und eventuelle Zusatzleistungen bezahlt.

Schülerin bezahlte 124 Euro Startgeld

Dementsprechend groß war die Enttäuschung bei den gemeldeten Sportlerinnen und Sportlern. Etwa bei einer siebzehnjährigen Schülerin aus Tirol. Für die Hobbyläuferin hätte es der erste Marathon werden sollen. Für das Nenngeld, die Chipmiete und die Versicherung habe sie insgesamt 124 Euro bezahlt, so die Schülerin gegenüber help.ORF.at.

Der Vienna City Marathon wird von der privaten Enterprise Sport Promotion GmbH organisiert. Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die für die Hauptbewerbe gemeldet und bereits das Nenngeld entrichtet haben, bietet der Veranstalter nun als Ersatz einen freien Startplatz in den Jahren 2021 oder 2022 an. Für die junge Tirolerin kommt diese Variante nicht infrage. Sie habe im kommenden Jahr Matura, da werde sich eine Teilnahme inklusive vorherigem Training nicht ausgehen. Im darauffolgenden Jahr werde sie bereits studieren und daher wohl ebenfalls kaum Zeit für den Laufbewerb aufbringen können, so die Schülerin.

Marathonläufer

Veranstalter will nur 30 Prozent ersetzen

Wer – so wie die Schülerin – in den kommenden Jahren nicht am Marathon teilnehmen möchte, dem bietet der Veranstalter an, dreißig Prozent des Startgelds zu erstatten. Der Restbetrag würde verfallen. Dieses Angebot gilt beispielsweise für Personen, die sich für die Bewerbe Marathon, Halbmarathon und Staffelmarathon gemeldet haben. Lediglich in den wesentlich günstigeren Kinder- und Jugendbewerben bietet die Veranstaltungsfirma einen kompletten Kostenersatz. Außerdem würden bereits bestellte Zusatzleistungen wie T-Shirts, Konzertkarten oder die Medaillengravur erstattet, so die Enterprise Sport Promotion GmbH gegenüber help.ORF.at.

VKI: Veranstalter muss Gutscheine ausstellen

Aus Sicht des VKI ist das Vorgehen des Veranstalters jedoch nicht rechtskonform. Das neue Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz (KuKuSpoSiG) sieht vor, dass für Tickets einer Sport- oder Kulturveranstaltung, die aufgrund der COVID-19 Pandemie nicht stattfinden kann, ein Gutschein ausgestellt werden muss. Für Veranstalter stellt diese Maßnahme in der Regel eine Erleichterung dar, da sie sonst verpflichtet wären, umgehend vollen Kostenersatz zu leisten.

Die Regelungen sehen vor, dass bis zu einem Wert von 70 Euro ein Gutschein ausgegeben werden kann und vorerst nur der übrigbleibende Restbetrag in bar oder per Überweisung erstattet werden muss, sagt VKI-Chefjurist Thomas Hirmke. Die Annahme des Gutscheins sei jedoch verpflichtend. Eine sofortige Rückerstattung des gesamten Kaufpreises, wie es in solchen Fällen normalerweise üblich wäre, sei somit vom Tisch, so Hirmke.

Gutscheine müssen kostenlos und übertragbar sein

Eine Kompromisslösung, mit der auch die Konsumentenschützer nicht restlos glücklich sind. Gutscheine sind nämlich gegen Insolvenzen nicht abgesichert. Geht ein Unternehmen pleite, ist der Gutschein wertlos. Ein in der momentanen Situation ausgegebener Gutschein müsse daher in jedem Fall zumindest kostenlos und übertragbar sein, so Hirmke.

Im konkreten Fall müsse der Gutschein bis Ende 2022 gültig sein. Wer ihn bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingelöst hat, habe in der Folge ein Recht darauf, den Betrag ausbezahlt zu bekommen, so der VKI-Jurist. Hirmke rät, gegebenenfalls bereits jetzt einen entsprechenden Vermerk im Kalender zu notieren.

Coronavirus ist keine „höhere Gewalt“

Die Veranstaltungsfirma hat Teilnehmende per E-Mail vor die Wahl gestellt. Man kann bis zum 17. Mai wählen, ob das Startgeld übertragen werden soll oder ob man die dreißig Prozent Auszahlung akzeptiert. An diese Frist sei man aber nicht gebunden, meint der VKI-Jurist. Man könne den Veranstalter auch nach diesem Datum schriftlich informieren, wenn man einen Gutschein möchte.

Viele Unternehmen verweisen in der momentanen Situation auf das juristische Instrument der „höheren Gewalt.“ Wird diese zuerkannt, würde eine Zahlungspflicht entfallen. Auf „höhere Gewalt“ könne man sich hier aber nicht berufen, sagt Hirmke. Die gesetzliche Grundlage sei eindeutig, das Risiko liege in solchen Fällen beim Veranstalter. Es dürfe nicht sein, dass Konsumentinnen und Konsumenten nur einen Teil des eingesetzten Betrags erhalten. Hirmke verweist außerdem darauf, dass die Chipmiete für den elektronischen Zeitmesser, den Läuferinnen und Läufer benötigen, zu hundert Prozent erstattet werden müsse. Diese dürfe weder in Form eines Gutscheins abgelöst, noch einem Gutschein angerechnet werden.

Veranstalter: „Sind ans ökonomische Limit gegangen“

Der Veranstalter des Vienna City Marathon rechtfertigt sein Vorgehen. Mit dem vorliegenden Angebot sei man ans wirtschaftliche Limit gegangen. Ein Großteil der Vorbereitungskosten sei bereits beglichen worden, dazu zählen unter anderem Behördenverfahren sowie Bau- und Organisationskosten. Man beschäftige elf Mitarbeiter, die ganzjährig an der Planung dieses Großereignisses beteiligt seien, und müsse außerdem für Miet- und Infrastrukturkosten aufkommen.

Das gegenwärtige Angebot habe man vor den neuen Regelungen der Bundesregierung erstellt. Außerdem gebe es auch unter Experten Zweifel daran, ob das gegenwärtige Gesetz auf den Vienna City Marathon anwendbar sei oder nicht, so der Veranstalter des Vienna City Marathon gegenüber help.ORF.at. Eine Gutscheinlösung sei kompliziert, da man zukünftige Kosten schwer kalkulieren könne. Wer momentan einen Gutschein erhalte, müsse eventuell mit Aufzahlungen rechnen. Aus Sicht des VKI sollte man aber auf jeden Fall einen Gutschein beantragen. Einen entsprechenden Musterbrief findet man auf der VKI-Website.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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