Von Alten Meistern bis „Coronavirus-Kunst“

Der museale „Lock-down“ ist vorbei: Ab Mitte Mai öffnen nach rund zweimonatiger Pause wieder Österreichs Ausstellungshäuser. Atmosphärisches Nachtleben oder avantgardistische Fashion, große Retrospektiven oder erste Highlights für Kinder: ORF.at hat eine Orientierungshilfe im Eröffnungsdschungel zusammengestellt – mit zehn Empfehlungen für die kommenden Wochen.

So viel vorweg: Die Besucherinnen und Besucher müssen in allen Museen Mund-Nasen-Schutz tragen und einen Meter Abstand wahren.

Pro Person gilt eine zehn Quadratmeter Flächenvorgabe, zeitliche Begrenzungen des Museumsbesuchs gibt es jedoch keine, auch kleine Führungen und Workshops sollen ab sofort wieder stattfinden.

Unteres Belvedere (ab 15.5.)

Wildes Nachtleben kann man derzeit nur im Museum erleben – und auch dort nur noch für die nächsten zwei Wochen: Mit „Into The Night“ lädt das Untere Belvedere in die Spelunken, Nachtclubs und Kabaretts der Avantgarden, wo einst radikal neue Kunst entstand. Im Zürcher Cabaret Voltaire wurde Dada gegründet, im Nachtclub Bal Tic Tac in Rom der Futurismus befeuert und im von Josef Hoffmann entworfenen Wiener Kabarett Fledermaus der Übergang vom Secessionismus zum Expressionismus eingeläutet: Das Jugendstillokal mit den markanten bunten Fließen ist hier in einem beeindruckenden Nachbau zu erleben.

“Damenkneipe" von Rudolf Schlichter, 1925

akg-images
Rudolf Schlichter: „Damenkneipe“ (1925); zu sehen im Belvedere im Rahmen der Ausstellung „Into The Night“

Wie Gemälde, Poster oder Objekte zeigen, befruchtete das pulsierende Treiben die Kunst auch abseits von Europa – in Mexiko City oder in Oshogbo in Nigeria. Die vom Londoner Barbican Center koproduzierte Zeitreise reicht von 1880 bis 1960 – eine unbedingte Empfehlung.

Naturhistorisches Museum (ab 20.5.)

Im Mondsand wühlen, ein Astronauten-Selfie schießen oder im Strandkorb im Zeitraffer die Gezeiten erleben: Mit dem Naturhistorischen Museum macht ein Museumshighlight – nicht nur – für kleine Besucherinnen und Besucher wieder auf. Die Sonderausstellung zum Erdtrabanten gibt es noch bis 1. Juni, darüber hinaus kann man auch die beliebten Dinosaurier besuchen, die Säle mit der Mineralogie und der Meteorologie. Die oberen Etagen bleiben einstweilen geschlossen, die Eintrittspreise sind deswegen reduziert, Sieben statt zwölf Euro, ermäßigt fünf statt zehn Euro.

Albertina modern (ab 27.5.)

Diesmal heißt es wirklich „The Beginning“: Nach coronavirusbedingter Verschiebung wird (zeitgleich mit dem Haupthaus) nun die lange erwartete erste Ausstellung in der Albertina modern im Künstlerhaus am Karlsplatz eröffnet. Das Vorhaben ist ein hehres: Entlang von 400 Werken aus den Beständen der – um die ehemalige Sammlung Essl erweiterten – Albertina gibt es einen Crash-Kurs in Sachen österreichische Kunst nach 1945, der nichts weniger als eine Neudefinition des heimischen Kanons verspricht.

Frontansicht vom Künstlerhaus

Rupert Steiner
Die Albertina modern wird nun verspätet eröffnet

Von den Phantastischen Realisten bis zu den Vertretern der Pop-Art, von Ernst Fuchs und Hermann Nitsch bis zu Maria Lassnig und Birgit Jürgenssen lässt die Überblicksausstellung eintauchen in die Jahre eines radikalen Neuanfangs. Die Schau sieht sich nicht zuletzt als große Würdigung der lange verpönten und verachteten Nachtkriegsavantgarden – gerade „in jenem Haus, in dem einst die Schandausstellung der ‚Entarteten Kunst‘ im ‚Dritten Reich‘ gefeiert“ wurde.

Kunsthalle Wien (ab 29.5.)

Im Gegensatz zur Albertina modern konnte in der Kunsthalle Wien das kroatische Direktorinnenkollektiv WHW seine erste Ausstellung am 8. März gerade noch eröffnen, wenige Tage später war dann Schluss. Jetzt gibt es eine neue Chance auf einen ersten Eindruck: „… von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden“ zeigt – thematisch wenig begrenzt – politische Kunst am Puls der Zeit und macht als „Visitenkarten“-Ausstellung Lust auf mehr: Mit Diversität in der Künstlerliste (darunter auch Hito Steyerl und Dan Perjovschi) und einer offeneren Raumgestaltung ist der erste Schritt in Richtung Neuerfindung – nach dem abrupten Rückzug von Nicolaus Schaffhausen – getan. Das Haus wird bis ins Foyer hinaus bespielt.

MAK (ab 1.6.)

Am 1. Juni, dem Pfingstmontag, öffnet mit dem MAK auch die große Moderetrospektive „Show Off“ wieder. Auf einem spektakulären begehbaren Gerüst von knapp sieben Meter Höhe (Ausstellungsarchitektur: Gregor Eichinger) präsentiert man anhand von 250 Objekten einen Überblick über vier Jahrzehnte heimisches Modeschaffen – zum ersten Mal überhaupt. Von minimalistisch bis pompös, von Helmut Lang bis Marina Hoermanseder wird der kreative Boost ab den 1980er Jahren gewürdigt, stimuliert nicht zuletzt durch eine Modeprofessur auf der Angewandten. Der Titel „Show Off“ ist berechtigt, die hiesige Fashion braucht sich nicht zu verstecken.

Kunsthistorisches Museum Wien (ab 30.5.)

Die große Beethoven-Ausstellung im KHM ist verschoben, der Blick auf die Meisterwerke der Dauerausstellung aber unverstellt: Einmal Bruegel oder Caravaggio ohne Touristengruppen oder Schulklassen genießen? Ja bitte. Zugänglich nach dem „Pay as you wish“-Prinzip.

Schallaburg (ab 1.6.)

Während die meisten Grenzöffnungen noch auf sich warten lassen, lädt die Jahresausstellung der niederösterreichischen Schallaburg bereits zum länderübergreifenden Trip: Die Donau ist das heurige Thema der stets breitenwirksam aufbereiteten Schau. Auch hier wurde die Eröffnung verschoben, nun zeigt man Einblicke in Kulturhistorie, Kulinarik und Alltag entlang dem zweitlängsten Fluss Europas.

Lentos Kunstmuseum (ab 2.6.)

Vom mumok zum Lentos: Für ihren lustvollen und lockeren Umgang mit musealen Beständen wurde Jakob Lena Knebel bereits 2017 international gefeiert. Nach dem gleichen unkonventionellen Prinzip hat sie nun ihre Ausstellung „Frau 49 Jahre alt“ in Linz gestaltet. Die Künstlerin, die gemeinsam mit Ashley Hans Scheirl den Österreich-Pavillon der Venedig-Biennale 2021 gestalten wird, stellt hier Art Brut neben Gemälde der Wiener Moderne, Werbeplakate neben Nachkriegsbronzen und Alltagsgegenstände neben eigene Arbeiten: eine Ausstellung zwischen Identitätskonstruktionen, Begehren und sinnlichen Erfahrungen.

Ausstellungsansicht „Jakob Lena Knebl. Frau 49 Jahre alt“

maschekS.
Ein Blick in Jakob Lena Knebels Ausstellung im Lentos

Parallel dazu präsentiert man – weitergereist vom Belvedere 21 – die sehenswerte Ausstellung des frühen österreichischen Konzeptkünstlers Josef Bauer. Die Schau zum 80er von Valie Export wurde indes auf Herbst verlegt. Vorfeiern kann man jedoch wenige Straßen weiter, im Francisco Carolinum, mit Werken der Künstlerin aus der hauseigenen Sammlung.

Österreichischer Skulpturenpark Premstätten

Wer sich derzeit vor geschlossenen Räumen scheut, aber auf Kunst nicht verzichten will, für den lohnt sich ein Blick in den Premstättner Skulpturenpark. Das sieben Hektar große Areal südöstlich von Graz versammelt 75 zeitgenössische Skulpturen namhafter Bildhauer. Der Künstlerinnenanteil ist leider gering, die Sammlung dennoch sehenswert: Neben Fritz Wotruba, Erwin Wurm und Heimo Zobernig ist auch der kürzlich verstorbene Konzeptkünstler und Naturerforscher Lois Weinberger darunter – und mit Yoko Ono oder Jeppe Hein ausgewählte internationale Positionen. Zwischen Insektensurren und Vogelzwitschern knallt es immer wieder: Werner Reiterers grellpinke Kugel fällt in sich zusammen wie eine riesige Kaugummiblase.

Kunsthaus Bregenz (ab 5.6.)

Aktueller geht’s nicht: Das Kunsthaus Bregenz öffnet am 5. Juni mit einer von Direktor Thomas D. Trummer kuratierten Sondergruppenschau mit ersten Coronavirus-Reflexionen. Neben der letztjährigen Turner-Preisträgerin Helen Cammock, dem libanesischen Performancekünstler Rabih Mroue und dem Österreicher Markus Schinwald konnte man gerade auch noch den berühmten südafrikanischen Künstler William Kentridge für die Ausstellung gewinnen. Der treffende Titel: „Unvergessliche Zeit“.

 

Mehr dazu

Popularno