Über Kanzler-Interview im ORF spricht das ganze Land

Der Morgen danach, die Wogen haben sich nicht geglättet: Nach einem Wut-Auftritt von Kanzler Karl Nehammer in der ORF-„ZIB2“ geht der Wirbel weiter.

Es war ein hartes TV-Duell, das eigentlich ein Interview hätte sein sollen: Der erste Auftritt von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im „ZIB2“-Studio bei ORF-Moderator Martin Thür war nicht nur von hitzigen Wortmeldungen, sondern auch von direkten Verbalangriffen auf den Moderator geprägt. Eine „Interpretation des ORF-Reporters“ müsse nicht unbedingt „der Wirklichkeit“ entsprechen, so Nehammer, Thür wolle die Regierungsarbeit schlecht reden und hätte schlecht recherchiert, hieß es. Der Moderator musste sich ständig verteidigen, er „verstehe nicht, wieso Sie mich attackieren“.

Am Tag danach beschäftigt der ORF-Auftritt weiter ganz Österreich. Und die Meinungen sind äußerst gespalten. „Bravo Martin Thür: die hohe Kunst jemanden einfach so lange ausreden zu lassen, bis er über die eigenen Füße stolpert“, schreibt etwa Harry Bergmann auf Twitter. „Pampiger, unsachlicher und unnötig untergriffiger Auftritt, in dem mit bissigen Zwischenrufen von schlechter Vorbereitung abgelenkt werden soll – eines Bundeskanzlers absolut unwürdig“, attestiert wiederum Arbeiterkammer-Jurist Philipp Brokes.

„Dass ein ständig, arrogant und deppert lachender Kommentator den Kanzler nicht ausreden lässt, ist ein journalistischer Pfusch und dem ORF unwürdig“

„In Krisenzeiten braucht ein Land eine ruhige, starke Führung. Jemanden, der auch kühlen Kopf bewahrt, wenns ernst wird. Eher niemanden, der auszuckt, wenn ihm eine Journalistenfrage nicht gefällt“, bewertet das Interview der PR-Berater Rudi Fußi. Und NEOS-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper meint: „Der Bundeskanzler war wohl sehr erschöpft. Und hat daher für die Antworten die Schallplatten zu spät gefunden. Und manchmal sind sie ihm runtergefallen. Was dann übrig blieb, war einfach authentisch. Leider.“

Für den Kanzler gibt es aber auch eine Menge Zuspruch in den sozialen Medien. „Nehammer war auf alle Themen gut vorbereitet; wusste, was er (unabhängig von den Fragen) antworten wollte; plus passende Stilmittel“, so Bülent Çelik ebenfalls auf Twitter. Und Gerhard Koller sieht es so: „Bin kein Freund Nehammers, aber Thür ist, wenn überhaupt, eher für Formate der Kategorie „Am dam des“ geeignet. Dass ein ständig, arrogant und deppert lachender Kommentator den Kanzler nicht ausreden lässt, ist ein journalistischer Pfusch und dem ORF unwürdig.“

(heute.at/Foto: youtube/screenshot)

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