Mehr Forschung gegen „Denkverbote“

Am Mittwoch hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu einem Autogipfel geladen, mit Vertreterinnen und Vertretern der Industrie und der Wissenschaft sollte die Zukunft der Branche besprochen werden. „Technologieoffenheit“ war dabei das oft zitierte Schlagwort. Forschung und Entwicklung sollen gefördert werden, dafür will man auch auf EU-Ebene Druck machen. Kritik am Fokus auf E-Fuels hagelte es schon vorab.

In der EU dürfen ab 2035 keine Neuwagen mehr zugelassen werden, die mit Benzin oder Diesel fahren. Die EU-Staaten beschlossen Ende März endgültig ein weitgehendes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor. Nach dem holprig erzielten Kompromiss können aber auch noch Verbrennungsmotoren zugelassen werden, wenn sie mit E-Fuels betankt werden.

Die ÖVP will die Option E-Fuels beibehalten und nennt Antriebe mit E-Fuels „grüne Verbrenner“. Der Gipfel am Mittwoch im Bundeskanzleramt wurde einberufen, um die Zukunft der Autobranche in Österreich zu besprechen, ebenso wie die Verwendung von E-Fuels in Autos. Eingeladen waren Vertreter von Wissenschaft und Industrie.

„Gerade die Veranstaltung heute soll zeigen, dass wir uns mit der Wissenschaft intensiv auseinandersetzen“, sagte Nehammer zu Beginn des Treffens. Man müsse in längeren Zeiträumen denken. In zehn Jahren könnte noch viel mehr möglich sein, etwa die Effizienz des Einsatzes von E-Fuels viel besser werden.

Es gehe darum, „den österreichischen Markt so interessant zu halten für Innovation, Forschung und Produktion, dass große Industriebetriebe bei uns investieren“. Österreich habe nicht nur eine bedeutende Zulieferindustrie, sondern auch schon eine hohe Kompetenz bei der Produktion von E-Fuels. Die Wertschöpfung der Autoindustrie in Österreich betrage 27 Mrd. Euro.

Man müsse auch auf europäischer Ebene Druck aufbauen, um „gegen Denkverbote“ vorzugehen, so Nehammer nach dem Gipfel. Schließe man vorab Möglichkeiten aus, behindere man Forschung und Entwicklung. Man müsse aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, ob beim „grünen Verbrenner“ oder dabei, E-Mobilität breiter zu denken. Daran würden mittelbar und unmittelbar 300.000 Jobs in Österreich abhängen.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher betonte, die öffentliche Hand müsse Unternehmen mit Förderungen unterstützen. Die Klima- und Transformationsoffensive sei bereits in Umsetzung, damit wolle man Voraussetzungen schaffen, um Forschung und Beschäftigte zu fördern.

Der Chemiker Robert Schlögl, Präsident der deutschen Alexander von Humboldt-Stiftung, meinte: „Ich würde vor allen Dingen erst mal dieses Vorurteil weggeben, dass die Erzeugung von E-Fuels sehr ineffizient sei.“ Georg Brasseur, emeritierter Professor an der TU Graz, verwies auf die „Limitierung der Rohstoffe, die wir haben, um diese gewaltige Energiewende hinzukriegen“. Europa und Österreich sollen sich nicht in neue Abhängigkeiten begeben, wie „beispielsweise jetzt mit den Batterien aus China“.

Der E-Fuels-Experte und Vizepräsident von AVL List, Jürgen Rechberger, ging am Mittwoch in der ZIB2 davon aus, dass sich langfristig der Elektromotor durchsetzen wird. In der Übergangsphase bis dahin könne man die Lücke mit E-Fuels schließen, meinte Rechberger. Für die Produktion von E-Fuels gebe es derzeit aber noch nicht genug Kapazitäten. Der Experte glaubte, dass man etwa um 2030 das Technologieportfolio dafür haben werde.

Schon im Vorfeld wurde Kritik von vielen Seiten laut. „Pure Show“ ortete die FPÖ, NEOS forderte einen Gipfel zur Personalnot statt zum Auto. Kritik kam auch von SPÖ und Grünen sowie von den Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace. Der Kanzler ignoriere Fakten und wolle „sinnlos Steuergeld in eine technologische Sackgasse pumpen“, so Greenpeace.

Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ besprühten die Fassade des Bundeskanzleramts mit einer ölig-schwarzen Flüssigkeit – nach ihren eigenen Angaben handelte es sich dabei um einen Mix aus Wasser, Guarkernmehl und Farbe, der abwaschbar und ungiftig sei.

Skepsis mit Blick auf E-Fuels äußerten auch die WU-Umweltökonomin Sigrid Stagl sowie Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. „Scientists for Future“ wiederum verwies auf die „katastrophale Energiebilanz“ von E-Fuels.

Zuspruch kam hingegen von der Industriellenvereinigung (IV), der Wirtschaftskammer (WKO) und den Automobilimporteuren. Der ÖAMTC machte darauf aufmerksam, dass E-Autos allein nicht ausreichen würden, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Geplante Regeln zur Herstellung von E-Fuels seien zu restriktiv.

Ähnlich der ARBÖ: Es gehe darum, alle verfügbaren Möglichkeiten auszunützen. Die noch junge Technologie der synthetischen Treibstoffe und E-Fuels werde sich enorm weiterentwickeln.

(orf.at)

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