DUNAV: Du hast Vergleichende Literaturwissenschaft studiert und ein Doktoratsstudium begonnen – wie bist du schließlich im Sprachunterricht gelandet?
Das war kein plötzlicher Richtungswechsel, sondern eher eine logische Weiterentwicklung. Mein Interesse für Sprache, Geschichten und Strukturen bewegte sich schon immer zwischen Literatur, Kultur und gelebter Realität. In Wien arbeitete ich als Journalistin und habe gleichzeitig das System aus Sicht einer Migrantin kennengelernt: Sprachkurse, Bürokratie, Alltag in einer fremden Sprache. Und irgendwann begann ich mich zu fragen: Was, wenn ich all dieses theoretische und praktische Wissen einsetzen kann, um anderen genau diesen Weg zu erleichtern?
DUNAV: Was hat dich konkret dazu bewegt, deine eigene Schule zu gründen?
Die Menschen. Ich habe gesehen, wie sehr sie kämpfen. Sie lernen Phrasen auswendig, aber niemand fragt sie, wie es ihnen wirklich geht. Sie sitzen in überfüllten Kursräumen, staatlich finanziert – und verlassen diese Kurse oft mit noch mehr Angst vor der Sprache. Ich konnte das nicht mehr mitansehen.
Ich begann, mir eine Schule vorzustellen, die nicht wie eine Produktionslinie funktioniert. Und irgendwann wurde mir klar: Wenn ich etwas anders machen kann – dann sollte ich es auch tun.
Was mich dabei noch mehr betroffen gemacht hat: Diskriminierung kommt nicht immer nur „von außen“. Manchmal kommt sie von Menschen aus der eigenen Community – von jenen, die nach Jahren in Amt oder Position vergessen haben, wie es war, als sie selbst am Anfang standen. Wenn wir nicht einmal untereinander Empathie zeigen – wie können wir sie dann von anderen erwarten?
Deshalb wollte ich, dass Sprachpunkt ein Ort ist, an dem der Mensch zählt – nicht der Pass, nicht der Akzent, nicht der Lebenslauf. Kein „wir“ und „sie“ – sondern nur die Frage: „Was brauchen Sie und wie kann ich Ihnen helfen?“
DUNAV: Was genau ist Sprachpunkt – und was unterscheidet euch von anderen Sprachschulen?
Sprachpunkt ist eine kleine Sprachschule im 20. Wiener Bezirk – aber inhaltlich ein großer Raum für Menschen. Unsere Gruppen sind klein, die Kommunikation ist ehrlich, und der Unterricht ist auf jene zugeschnitten, die die Sprache wirklich brauchen – nicht nur für ein Zertifikat. Natürlich bereiten wir auch auf Prüfungen vor, aber ohne Druck. Unsere Teilnehmer*innen bekommen Aufmerksamkeit, ein Lerntempo, das sie mitgehen können, und vor allem eine Atmosphäre, in der Fehler nicht peinlich sind, sondern willkommen.
DUNAV: Deine Schule hat eine starke integrative Ausrichtung. Wie erlebst du Integration in Österreich – von innen heraus?
Leider existiert Integration oft nur auf dem Papier. Es gibt Gesetze, Kurse, Statistiken und Evaluierungen. Aber wenn man die Realität in den Kursräumen sieht – sitzen dort zu viele Menschen auf zu engem Raum, das Tempo ist extrem hoch, und die Lehrkräfte sind oft überlastet. Das hat mit echter Inklusion wenig zu tun – das ist technisches Überleben. Für mich beginnt Integration dort, wo man Raum hat, Fragen zu stellen, nicht alles zu wissen und sich zu verbinden. Deshalb wollte ich eine Schule schaffen, in der Menschen keine Nummer sind, sondern als Personen gesehen werden.
DUNAV: Wie wirst du selbst wahrgenommen – als Lehrerin, Unternehmerin, Migrantin?
Ein bisschen von allem – und das ist gut so. Ich bin keine „klassische Lehrerin“, denn mein Ziel ist nicht nur, Wissen zu vermitteln, sondern Türen zu öffnen. Ich bin auch keine typische Unternehmerin – ich sehe die Menschen nicht als Kund*innen, sondern als Teil einer Gemeinschaft. Und das Migrantinnen-Sein – das ist mir wichtig. Ich weiß, wie es ist, wenn man nicht verstanden wird. Ich habe selbst jahrelang mit dem bürokratischen Labyrinth gekämpft: mit Magistraten, Vorschriften, Formularen, die mehr verwirren als helfen, und mit Jobs, bei denen man ständig in der Warteschleife hängt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man ein Schreiben vom Amt nicht versteht, wenn einem am Schalter die richtigen Worte fehlen, wenn man eine Arbeitserlaubnis braucht und das ganze System wie eine verschlossene Tür wirkt. Sprache ist oft die erste und größte Hürde, um für sich selbst einzustehen – deshalb müssen wir sie stärken, nicht nur erlernen.
Genau deshalb kann ich mich mit meinen Kursteilnehmer*innen so gut verbinden – nicht weil ich eine didaktische Ausbildung gemacht habe, sondern weil ich sie von innen heraus verstehe. Denn das, was wir bei Sprachpunkt vermitteln, ist nicht nur Sprache. Es ist auch: Wie finde ich mich zurecht? Wie setze ich mich durch? Und wie bleibe ich dabei ich selbst – in einem System, das einen oft übersieht?

DUNAV: Und dein akademischer Weg – hast du ihn komplett aufgegeben?
Nein, habe ich nicht. Ich bin dieser Welt weiterhin verbunden. Aber im Moment wünsche ich mir, dass das Wissen, das ich über Jahre aufgebaut habe, außerhalb von Klassenzimmern und Bibliotheken lebt. Ich möchte es in der direkten Arbeit mit Menschen einsetzen. Und das erfüllt mich. Die Wissenschaft läuft ja nicht weg – vielleicht werde ich eines Tages alles miteinander verbinden. Bücher werden immer ein Teil von mir und meinem Leben bleiben.
DUNAV: In letzter Zeit entwickelst du neben deiner Arbeit in der Schule in Wien auch neue Projekte. Kannst du uns etwas darüber erzählen?
Ja, wir entwickeln derzeit Online-Kurse für Menschen aus dem Balkanraum, die planen, nach Österreich zu kommen – mit dem Ziel, sie rechtzeitig zu informieren und auf das vorzubereiten, was sie hier erwartet. Darüber hinaus haben wir noch weitere Ideen, die bereits in Planung sind. Wir möchten auch eine Winter- und eine Sommerschule für Jugendliche in Wien organisieren. Unsere Schule verfügt über große, helle Räume und einen eigenen Innenhof – ideal für solche Aktivitäten. Unser Ziel ist es, jungen Menschen eine Kombination aus Spracherwerb, kulturellem Austausch und gemeinschaftlichem Lernen in einem sicheren und unterstützenden Umfeld zu bieten.
Das wird keine „Schule“ im klassischen Sinne sein – sondern eine Erfahrung. Am Vormittag lernen wir Deutsch, am Nachmittag gibt es Workshops, Stadtrundgänge, Museumsbesuche oder Quizformate. Die Idee ist, dass die Jugendlichen nicht nur sprachliche Grundlagen erlernen, sondern auch Selbstvertrauen, interkulturelle Kompetenzen und ein Gefühl von Zugehörigkeit entwickeln. Denn Integration beginnt lange vor dem ersten Job oder der ersten Prüfung – sie beginnt in der Jugend.
Außerdem sind verschiedene Aktivitäten und Kooperationen mit Vereinen und Unternehmen aus dem Balkanraum geplant.
DUNAV: Zum Schluss – was würdest du jemandem sagen, der noch zwischen „was ich liebe“ und „was ich muss“ steht?
Ich würde sagen: Du musst dich nicht für immer für nur eines entscheiden. Du kannst die Theorie lieben und gleichzeitig praktisch arbeiten. Du kannst in der Wissenschaft sein und gleichzeitig hier und jetzt Menschen unterstützen. Wichtig ist, nicht auf den „richtigen Moment“ zu warten – denn der kommt meist nie. Nicht alles im Leben ist schwarz-weiß oder ein „Entweder-oder“ – manchmal liegt das Eigene genau in der Verbindung verschiedener Wege. Und ich würde hinzufügen: Es ist völlig in Ordnung, wenn du dich nicht in das heutige Bild des „idealen Arbeitnehmers“ einfügst – ständig erreichbar, digital vernetzt, motiviert und angepasst. Es gibt auch andere Wege zum Erfolg. Die leiseren, nachhaltigeren – und oft viel menschlicheren. Und solche, die dem Herzen näher sind.
📌 Sprachpunkt – Kontaktinformationen
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Engerthstraße 93/15/R1
1200 Wien (Österreich)
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