Die Pandemie macht Kinder dicker

Einen besorgniserregenden Anstieg des Anteils von Kindern mit Übergewicht oder Adipositas während der Corona-Pandemie hat der Kärntner Sportwissenschafter Gerald Jarnig in einer Studie mit mehr als 700 Klagenfurter Volksschülern festgestellt.

Wie das Forscherteam um Jarnig im Fachjournal „Pediatrics Obesity“ berichtet, stieg der Anteil der Kinder mit Übergewicht oder Adipositas von September 2019, also noch vor der Pandemie, bis März 2021 von 20,7 auf 26,2 Prozent.

 

Gerald Jarnig vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Graz wollte ursprünglich in einer Studie herausfinden, wie es sich auswirkt, wenn in der Volksschule der gesamte Sportunterricht von externen Trainern durchgeführt wird. Dazu erhob er im September 2019 unter anderem das Gewicht von 738 Kindern im Alter von sieben bis zehn Jahren an zwölf Volksschulen aus dem Bezirk Klagenfurt. Dann kam Corona und es durften keine externen Trainer mehr an die Schulen. Dennoch führte der Wissenschafter die Studie mit anderer Zielsetzung weiter und erhob im Juni und September 2020 sowie im März 2021 u.a. Größe und Gewicht der Kinder.

Konkret hat sich unter den 738 Studienteilnehmern die Zahl der extrem adipösen Kinder von sieben auf 14 verdoppelt, jene der adipösen Kinder ist von 26 auf 33 gestiegen und jene der übergewichtigen Kinder von 79 auf 104. Gesunken ist dagegen die Zahl der Normalgewichtigen (von 582 auf 555) und der untergewichtigen Kinder (44 auf 32).

Buben stärker betroffen als Mädchen

Die Buben waren von der Gewichtszunahme deutlich stärker betroffen: Waren bei den Mädchen unter den Studienteilnehmern vor der Pandemie 15 Prozent übergewichtig oder adipös, waren es im März 2021 bereits 19,6 Prozent. Dagegen stieg der Anteil der übergewichtigen oder adipösen Buben von 15,4 auf 21,3 Prozent.

In der Arbeit, an der u.a. auch Reinhold Kerbl und Volker Strenger von der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) mitgewirkt haben, verwendeten die Forscher u.a. den sogenannten äquivalenten Body Mass Index (BMI). „Dieser Wert ermöglicht die Hochrechnung des tatsächlichen BMI auf die Grenzwerte im Alter von 18 Jahren, die relevant sind, um das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen im weiteren Lebensverlauf definieren zu können“, erklärte Jarnig im Gespräch mit der APA. Der Mittelwert dieses äquivalenten BMI ist im Untersuchungszeitraum von 22,28 auf 22,92 gestiegen. „Wenn man berücksichtigt, dass das der Mittelwert ist, ist das ist eine extreme Steigerung.“

Bewegungsmangel in den Städten

Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen Kindern städtischer und ländlicher Schulen: Während am Land der äquivalente BMI von 22,18 auf 22,45 gestiegen ist, legte dieser Wert in der Stadt von 22,35 auf 23,18 zu. „Das zeigt, dass die Kinder am Land durch die Bewegungsmöglichkeiten vor der Haustür, nicht so stark betroffen waren“, so der Sportwissenschafter. Große Unterschiede zeigten sich auch zwischen den Geschlechtern: Bei den Mädchen stieg der äquivalente BMI von 22,15 auf 22,45, bei den Buben von 22,42 auf 23,38.

„Der Anstieg des BMI ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der kombinierten Wirkung von reduzierter körperlicher Aktivität, vermehrt sitzendem Verhalten und einer Ernährungsumstellung zuzuschreiben“, sagte Jarnig. Wenn man bedenke, dass Kinder und Jugendliche in der Unter- und Oberstufe noch stärker zu Übergewicht und Fettleibigkeit neigen, „werden die Auswirkungen dort noch viel mehr zu spüren sein“, betonte der Sportwissenschafter.

In der Studie bezeichnen die Wissenschafter die Entwicklung als „besorgniserregend und langfristige nachteilige Folgen sind wahrscheinlich“. Um dem entgegenzuwirken, plädieren sie für gezielte Interventionsprogramme mit Fokus auf körperliche Aktivität und gesunde Ernährung. „Es wird immer wieder gesagt, dass nichts teurer sei als keine Bildung. Man sollte dabei die körperliche Bildung nicht vernachlässigen“, so Jarnig.

 

(Wiener Zeitung)

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